von Andy » 12.11.22 17:57
Den Aufruf habe ich gelesen und war bei einer Veranstaltung zum Thema, bleibe aber nicht überzeugt von der Kampagne, die hier kaum diskutiert worden ist.
Als die WM hier in Deutschland stattfand, gab es hier eine interessante Kampagne gegen die Öffentlichkeitsarbeit des DFBs und die Vermarktung von Deutschland als ein tolerantes und buntes Land, als freundlicher Gastgeber. Damals gab es hier noch große Nazi-Demos, die sogenannte national-befreite Zonen, und rassistische Parolen waren alltäglich in den Stadien. Mit der WM, der bunten Mannschaft, und dem Aufstand der Anständigen hat Deutschland Image (und von uns damals unterschätzt die tatsächliche Realität) ändern wollen. Die damalige Kampagne lief ohne internationales Interesse. Übersetzt waren Plakate und Texte kostenlos, teilweise von meinem damaligen Mitbewohner.
Danach kamen Südafrika, Brasilien und Russland. Jetzt Katar.
Mittlerweile ist die WM nicht nur eine Fussball Veranstaltung, sondern eine wichtige Protest- und Finanzierungsmöglichkeit für diverse NGOs, die die Gelegenheit nutzen, mit professionellen Kampagnen mehr Aufmerksamkeit und Geld zu verlangen, ob im Bereich Menschenrechte, Umweltschutz, Diskriminierung, oder soziale Projekte. Da sind sicherlich einige interessante Ideen dabei, aber in dem Fall Katar finde ich die Situation fragwürdig.
Meine erste Frage ist dann, wo die WM überhaupt stattfindet? Soll sie in Uruguay bleiben? Vielleicht in England? Aber Fußball gehört mittlerweile der Welt. Dass die Vergabe korrupt ist, ist jedem klar. Viele Länder sind halt sehr korrupt, oder brauchen Geld. Diese Länder dürfen auch mitstimmen. Sollte die WM nur in Länder stattfinden, die bestimmte Standards haben? Vielleicht, ja. Aber dann kam schnell der Vorwurf, dass die WM nur in westlichen Ländern stattfindet. FIFA hat schnell diese Gelegenheit genommen, um die Vermarktung von Fußball internationaler zu verbreiten, und argumentiert, dass diese Länder mit der WM sich entwickeln können. Skandale gab es jedes Mal. In Brasilien und Südafrika ging es hauptsächlich um die armen Leute, die ausgebeutet und vertrieben worden sind, ohne etwas von der WM zu haben. Auch in Japan und Südkorea gab es den Vorwurf, dass diese Länder kaum eine Fußballkultur haben, America sowieso. FIFA is fucked if the do, and fucked if they don’t. Entweder sind es die alten weiße Männer, die die WM an reichen Ländern geben, oder alte weiße Männer, die arme Länder ausbeuten. Irgendwo muss die WM stattfinden. Und egal wo gibt es eine Reihe von NGOs, die die Gelegenheit nutzen, um ihre Finanzen und Kampagnen zu profilieren.
Die zweite Frage ist dann, ob Katar wirklich so schlecht ist? Klar. Katar ist bestimmt ein Shithole, aber was kritisiert der Aufruf zum Boykott so richtig? Sehr wenig, weil Katar nicht wie Brasilien oder Südafrika ein armes Land ist, das mit einer WM sich in eurer Vorstellung möglicherweise entwickeln wird, sondern ein reiches Land, das ein anderes politisches und religiöses Weltbild hat. Dieses Weltbild teilt Katar nicht nur mit vielen anderen Ländern, ob es die Rechte von Frauen, die Einstellung gegenüber Homosexualität, die Behandlung von Gastarbeitern, oder die Demokratie, sondern auch mit der Moschee bei Dir um die Ecke, Deine Hausmitbewohner, Spieler in fast allen Spielklassen, oder einige Flüchtlinge, die Du unterstützt. Ohne eine Auseinandersetzung mit der religiösen Weltanschauung, ist diese Kritik nämlich keine. Entweder spricht man es aus, oder nicht.
Was bleibt, ist nur ein dummes Geschwätz. Profi-Fußball kann Freundschaftsspiele spielen wann und wo es will, aber niemand sagt was. Sportler können glauben, was sie wollen ohne Kritik. TuS Makkabi III bekam nur zufälligerweise Ärger in bestimmten Stadtvierteln, und die vermehrten Angriffe auf Frauen und Schwulen in Berlin kommen wahrscheinlich aus der rechten Szene. Katar ist besonders schlimm, aber man weisst nicht warum. Korruption bei der FIFA liegt an den Funktionären, und die da oben haben immer eine Verschwörung gegen unseren Sport.
Die WM in Deutschland zu kritisieren hat was gekostet. Man war Nestbeschmutzer, Antideutsch, und Verräter. Heute zum Boykott aufzurufen ist verdächtig bequem. Die Mannschaft, oder wie sie jetzt heißt, ist kein Favorit. Die Spiele finden im Advent statt, deshalb findet man das Public Viewing gar nicht. Diese Kampagne ist leer und Mode.
Ich freue mich auf die Spiele, und hoffe demnächst auf eine richtige Kritik von Islam und Sport.
Weapons for Ukraine!