Murkel und das lila Wunder

Fußball ohne Tennis & alljemeinet Rumschäkern
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Denis
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Murkel und das lila Wunder

Beitrag von Denis »

(Idee und Buch: Icke und Gemini)

Die Märchensaison von Tennis Borussia: Murkel und das lila Wunder

Kapitel 1: Ein Sommer voller Langeweile und eine seltsame Einladung

Mein Name ist Murkel, und diesen Sommer schien er so öde zu werden, wie das abgestandene Wasser in Opas Regentonne. Dreizehn Jahre alt und gefühlt schon seit Ewigkeiten in Berlin-Westend gefangen. Meine Freundinnen waren alle in den Ferien – Spanien, Frankreich, irgendein See in Brandenburg. Und ich? Ich saß zu Hause, starrte auf mein Handy und wünschte mir, die Schule würde einfach wieder anfangen. Ja, so schlimm war es.

Als Mama dann mit diesem Flyer ankam, war meine Begeisterung ungefähr bei null. "Guck mal, Murkel", sagte sie fröhlich, "ein Ferienprogramm von Tennis Borussia Berlin! Fußballspielen! Das wäre doch was für dich!"

Fußball? Ich? Meine Augenbrauen schossen höher als der Eiffelturm. Ich, Murkel, bekannt für meine unkoordinierte Art, bei der sogar das Gehen manchmal zur Herausforderung wurde? Ich, die im Sportunterricht immer als Letzte in die Mannschaft gewählt wurde und dann nur auf dem Feld stand und hoffte, der Ball würde mich nicht erwischen? Mama musste mich verwechseln.

"Mama, ernsthaft? Fußball? Ich bin doch..." – ich suchte nach dem passenden Wort – "...talentbefreit, was Sport angeht."

Sie lachte nur und schob mir den Flyer in die Hand. "Ach Quatsch! Das ist doch nur zum Spaß! Und du kommst mal raus. Bewegung tut gut. Und TeBe ist ein Traditionsverein, das ist doch toll!"

Traditionsverein. Ja, das hatte ich schon mal gehört. Irgendwas mit lila Trikots und einem Veilchen im Logo. Aber ob das reichte, um mich vom Sofa zu locken? Ich seufzte, scannte den Flyer. "Probetraining am Montag, Poststadion." Poststadion. Das kannte ich, zumindest von außen. Ein altes, geschichtsträchtiges Stadion. Vielleicht war es ja doch nicht so schlimm. Schlimmer als Langeweile konnte es ja kaum werden. Also stimmte ich widerwillig zu. Was hatte ich schon zu verlieren? Außer vielleicht meine Würde, wenn ich über meine eigenen Füße stolperte.

Am Montag stand ich dann also vor dem großen Eingang des Poststadions. Ein bisschen aufgeregt war ich ja schon. Es roch nach feuchter Erde und altem Gras – ein Geruch, den ich noch nie bewusst wahrgenommen hatte, der aber irgendwie dazu passte.

Ein freundlich aussehender Mann mit Schnurrbart und TeBe-Trainingsanzug begrüßte die Gruppe der Kinder. "Hallo zusammen! Ich bin Trainer Kalle. Herzlich willkommen bei Tennis Borussia! Wir wollen heute einfach ein bisschen Spaß haben, den Ball kennenlernen und uns bewegen. Keine Sorge, hier muss niemand perfekt sein."

Na immerhin, dachte ich. Perfekt war ich sowieso nicht.

Die erste Übung war Passspiel. Ich versuchte mein Bestes, aber der Ball schien ein Eigenleben zu führen. Er rollte entweder viel zu weit oder blieb kurz vor meinem Mitspieler liegen. Kalle kam zu mir, lächelte. "Nicht schlimm, Murkel. Versuch, den Fuß mehr zu spreizen und den Ball in der Mitte zu treffen. Und vor allem: Guck nicht nur auf den Ball, sondern auch, wo dein Mitspieler steht!"

Ich nickte und versuchte es. Es wurde nicht sofort besser, aber immerhin ein kleines bisschen. Und Kalle lobte mich für jeden kleinen Fortschritt. Das war nett. Es gab Mädchen und Jungen in meiner Gruppe, ungefähr in meinem Alter. Einige schienen schon richtig gut zu sein, andere waren genauso ungelenk wie ich. Ich fühlte mich nicht ganz so allein.

Als wir dann ein kleines Trainingsspiel machten, merkte ich etwas Unerwartetes. Es machte tatsächlich... Spaß? Klar, ich stolperte immer noch, und der Ball war öfter weg, als mir lieb war. Aber dieses Gefühl, wenn man doch mal einen Pass ankam oder den Ball erkämpfte – das war neu und aufregend. Und das Laufen, das hinterherjagen, das gemeinsame Anfeuern.

Nach zwei Stunden war ich durchgeschwitzt, meine Beine taten weh, aber ich hatte ein Grinsen im Gesicht. Kalle verabschiedete uns. "Das war super heute! Wir sehen uns am Mittwoch wieder, oder?"

Ich nickte diesmal nicht widerwillig, sondern mit echter Vorfreude. "Ja! Klar!"

Ich hatte keine Ahnung, dass dieser harmlose Ferienspaß der Beginn von etwas viel Größerem sein würde. Etwas, das mein Leben und das von Tennis Borussia für immer verändern würde.

Kapitel 2: Das Mommsenstadion, ein quasselnder Papagei und ein alter Freund

Am Mittwochmorgen stand ich wieder vor dem Eingang, diesmal vom Mommsenstadion. Der Geruch nach Gras und Erde war derselbe, nur die altehrwürdigen Tribünen wirkten noch imposanter als beim letzten Mal. Kalle begrüßte uns mit einem strahlenden Lächeln. "Na, Murkel, schön, dass du wieder da bist!"

Das erste, was mir auffiel, war nicht der Ball, sondern ein lautes, krächzendes Geräusch. Es kam von einem Käfig, der unter der Tribüne stand. Darin saß ein großer, bunter Papagei. Er starrte uns mit einem schief gelegten Kopf an.

"Ach, das ist Anne", erklärte Kalle, als er meinen Blick bemerkte. "Unser Grunewald-Papagei. Gehört dem alten Herrn Lehmann, der hier im Büro hilft. Anne konnte nie wirklich sprechen, nur so ein paar Laute. Aber seit ein paar Wochen sagt sie immer wieder einen Satz. Völlig aus dem Kontext, aber immer denselben."

Kaum hatte Kalle das gesagt, krächzte Anne in einer Lautstärke, die mich zusammenzucken ließ: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!"

Ich starrte den Papagei an. "Ähm... was?"

Kalle zuckte die Achseln. "Keine Ahnung, Murkel. Sie hat's irgendwo aufgeschnappt. Und jetzt kommt's immer wieder. Ist ganz witzig, oder?" Witzig? Ich war nicht sicher. Eher ein bisschen unheimlich, dass ein Vogel meinen Namen kannte.

Während wir uns aufwärmten, kam ein Mann auf uns zu, dessen Arbeitskleidung schon bessere Tage gesehen hatte. Er hatte ein freundliches, aber leicht verträumtes Lächeln und hielt einen Rechen in der Hand, als wäre er sein bester Freund. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen ab.

"Morgen, Kalle! Alles in Ordnung hier mit den Kleenen?", murmelte er in einem tiefen, sanften Ton.

"Alles bestens, Peter! Die Murkel hier ist auch wieder am Start", antwortete Kalle und zwinkerte mir zu.

Peter, der Platzwart, nickte mir freundlich zu. "Ah, Murkel! Na, dann mal viel Spaß beim Fußball! Pass auf die Hände auf, nich' dass dir der Ball abrutscht!", sagte er, was mich verwirrte, da Fußball ja eigentlich mit Füßen gespielt wird. Aber ich mochte seine gutmütige Art. Er wirkte ein bisschen wie ein großes Kind, das man einfach gernhaben musste. Später sah ich ihn, wie er liebevoll kleine Löcher im Rasen stopfte und mit den Rasensprengern sprach, als wären es seine Haustiere.

Das Training ging weiter, und ich merkte, dass es mir immer leichter fiel, den Ball zu kontrollieren. Ich stolperte weniger, meine Pässe wurden präziser. Es war immer noch kein Ballett auf dem Rasen, aber ich begann, das Spiel zu verstehen. Ich sah, wo meine Mitspieler hinliefen, wo Räume entstanden. Und dann passierte es:

Wir machten wieder ein kleines Trainingsspiel, vier gegen vier. Ich war in der Verteidigung und versuchte, einen Gegenspieler am Pass zu hindern. Plötzlich, irgendwie ganz instinktiv, grätschte ich den Ball sauber ab. Nicht ins Aus, nicht zum Gegner, sondern direkt zu meiner Mitspielerin! Sie konnte loslaufen, den Ball nach vorne treiben und sogar ein Tor schießen.

Ich blieb stehen, meine Augen weit aufgerissen. Ich hatte das tatsächlich getan? Aus Versehen? Oder war das... Talent?

Kalle pfiff die Szene ab und kam auf mich zugelaufen. "Murkel! Wahnsinn! Wo kam das denn her? Perfektes Tackling! Genau so wollen wir das sehen!"

Meine Wangen wurden heiß, aber ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. Das war kein Zufall, das wusste ich. Ich hatte den Ball wirklich erobert. Dieses Gefühl, etwas richtig gut gemacht zu haben, war berauschend.

Als das Training endete, war ich erschöpft, aber glücklich. Die anderen Kinder lobten mich. "Das war ja cool, Murkel!" sagte ein Mädchen mit Zöpfen.

Ich grinste. Das hier war kein öder Sommer mehr. Das hier war aufregend. Was ich noch nicht wusste, war, dass sich über dem ganzen Verein dunkle Wolken zusammenbrauten, und dass mein kleines, neu entdecktes Fußballglück bald von viel größeren Sorgen überschattet werden würde. Sorgen, in denen selbst der quasselnde Papagei Anne und der verträumte Platzwart Peter eine Rolle spielen würden.

Kapitel 3: Lila Sorgen und eine alte Dame mit Veilchen

Die Tage vergingen, und meine anfängliche Ungeschicklichkeit auf dem Platz wich langsam einer wachsenden Sicherheit. Das Fußballspielen machte mir wirklich Spaß, auch wenn der Ball immer noch manchmal tat, was er wollte. Ich merkte, dass mein "Talent" nicht im schnellen Dribbeln oder krachenden Schüssen lag. Nein, ich hatte ein Händchen dafür, Bälle abzufangen. Ich sah Muster, wo andere nur ein Durcheinander sahen, und meine Beine schienen zu wissen, wohin sie mussten, um einen Passweg zu blockieren. Kalle hatte das auch bemerkt und lobte mich oft.

"Murkel, du bist wie so ein kleiner Staubsauger im Mittelfeld!", rief er einmal lachend. Ich grinste. Staubsauger. Nicht gerade glamourös, aber effektiv.

Während ich mich immer wohler auf dem Rasen fühlte, merkte ich aber auch, dass die fröhliche Stimmung, die Trainer Kalle verbreitete, nicht immer die gesamte Realität abbildete. Ich schnappte erste Fetzen auf.

Einmal, als ich auf dem Weg zur Toilette am Büro vorbeikam, hörte ich Kalles Stimme, leiser und besorgter als sonst. "Aber Bernd, wie sollen wir denn die neuen Bälle bezahlen? Die Alten fallen schon auseinander!" Eine andere Stimme, wahrscheinlich die des Bürohelfers Herrn Lehmann, antwortete: "Wir müssen sehen, Kalle. Die Rechnungen stapeln sich. Der Vorstand ist ratlos. Vielleicht müssen wir die Trainingslager streichen."

An einem anderen Tag, nach dem Training, unterhielten sich einige der erwachsenen Zuschauer, die immer zuschauten – meist ältere Herren mit TeBe-Schals oder -Mützen. Einer schüttelte den Kopf. "Hast du das gesehen? Schon wieder die Preise erhöht! Jetzt kostet die Dauerkarte für die Gegengerade fast so viel wie in der ersten Liga!" Ein anderer brummte: "Was sollen sie machen? Das Geld muss ja irgendwo herkommen. Aber so vergraulen sie die letzten treuen Seelen."

Ich verstand nicht alles, aber die Worte "Rechnungen", "Geldprobleme" und "Preise erhöht" summierten sich zu einem unangenehmen Gefühl. Es lag eine Spannung in der Luft, die ich vorher nicht bemerkt hatte.

Auch Peter, der Platzwart, wirkte in diesen Tagen bedrückter. Normalerweise pfiff er fröhlich vor sich hin, während er den Rasen tränkte oder die Linien zog. Doch jetzt sah ich ihn öfter mit Sorgenfalten auf der Stirn. Einmal fand ich ihn, wie er verzweifelt versuchte, ein kaputtes Bewässerungssystem mit Klebeband zu flicken. "Ach, Murkel", murmelte er, ohne aufzusehen, "das Geld ist so knapp. Alles geht kaputt, und für Neues reicht's nicht. Dabei braucht unser Mommsenstadion doch so viel Liebe."

Selbst Anne, der Grunewald-Papagei, schien die Stimmung aufzuschnappen. Immer öfter krächzte sie jetzt ihr Mantra: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!" Es war, als würde sie mich direkt ansprechen, mich fragen, was ich jetzt tun würde.

Eines Nachmittags, nach dem Training, saß ich auf einer alten Holzbank und schnürte meine Fußballschuhe. Neben mir setzte sich eine ältere Dame mit silbergrauem Dutt und einer Broschenform eines Veilchens an ihrem lila Cardigan. Sie hatte jedes Training beobachtet und dabei immer gestrickt.

"Du bist die Murkel, stimmt's?", fragte sie mit warmer Stimme. Ich nickte. "Ich bin Frau Meier. Bin seit über fünfzig Jahren TeBe-Fan. Habe noch Zeiten erlebt, da war das Stadion voll und wir haben in der ersten Liga gespielt." Ihre Augen wurden wehmütig. "Aber jetzt... es ist so traurig. Der Verein kämpft ums Überleben. Das Geld ist so knapp, Murkel. Sie versuchen alles, die guten Seelen hier, Kalle, der alte Herr Lehmann, selbst der Peter gibt jeden Groschen für den Rasen aus. Aber es ist ein Fass ohne Boden."

Sie seufzte tief. "Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt noch Hoffnung gibt."

Ich starrte auf meine Schuhe. Hoffnung? Ich hatte doch gerade erst meinen Spaß am Fußball entdeckt. Konnte dieser alte, lila Verein wirklich einfach so verschwinden? Mir wurde ganz mulmig. Aber dann schaute ich auf das Veilchen an Frau Meiers Brosche und dachte an das grün-lila Gras im Mommsenstadion, das Peter so liebevoll pflegte, an Kalles unermüdlichen Optimismus.

Ein seltsames Gefühl machte sich in mir breit. Es war nicht nur Angst, sondern auch etwas wie... eine leise Entschlossenheit. Konnte ich, Murkel, mit meinem "Staubsauger-Talent" und meinem neu entdeckten Spaß am Fußball, irgendetwas tun?

Kapitel 4: Der Bombenkrater und das Gemurmel der Fans

Nach dem Gespräch mit Frau Meier ging mir das Wort "Hoffnung" nicht mehr aus dem Kopf. Konnte ein Verein einfach so verschwinden? Und was bedeuteten all diese Finanzprobleme eigentlich genau? Ich musste mehr wissen. Mein Staubsauger-Talent auf dem Rasen war ja schön und gut, aber wenn es bald keinen Rasen mehr gab, auf dem man spielen konnte, nützte das auch nichts.

Am nächsten Trainingstag nahm ich meinen Mut zusammen. Nach dem Aufwärmen, als Kalle kurz mit Peter, dem Platzwart, sprach, pirschte ich mich näher heran.

"Kalle", sagte ich leise, als er sich zu uns umdrehte, "stimmt es, dass TeBe... Geldprobleme hat? Ich habe da so ein paar Sachen gehört."

Kalle zögerte kurz, sein Lächeln wurde ein wenig schmaler. Er strich sich über den Schnurrbart. "Ach, Murkel. Ja, es ist kein Geheimnis, dass es gerade nicht einfach ist. Die Einnahmen reichen kaum, um alle laufenden Kosten zu decken. Wir sind ein Traditionsverein, aber Tradition allein zahlt keine Rechnungen."

Peter, der gerade mit einem Eimer und einem Tuch vorbeikam, seufzte. "Vor allem, wenn der Rasen nicht mitspielt. Immer diese nassen Stellen im Winter, wo das Wasser nicht abläuft. Da muss man doch nur mit dem Fuß drauf treten und schon ist's ein Matschloch. Und dann muss das Spiel abgesagt werden. Wieder keine Einnahmen!"

"Was ist denn da los?", fragte ich neugierig. "Ist der Boden kaputt?"

Peter beugte sich zu mir, seine Augen blitzten verschwörerisch. "Nun, Murkel, die alten Hasen hier, die erzählen sich ja so einiges. Da gibt's zum Beispiel den Pogo, der behauptet, das läge an einem Bombenkrater aus dem Krieg. Direkt unterm Rasen! Das Wasser versickert nicht richtig, und zack, ist das Spielfeld unbespielbar. Vor allem im Winter, wenn's friert und taut."

Ich starrte ihn an. Ein Bombenkrater? Unter einem Fußballfeld? Das klang wie aus einem Abenteuerfilm.

Kalle schmunzelte und tätschelte Peters Schulter. "Ach, Peter, der Pogo mit seinen Geschichten. Es ist wohl eher eine alte Drainagierung, die mal überholt werden müsste. Aber dafür fehlt uns eben das Geld. Und ohne Drainage wird der Platz bei starkem Regen einfach unbespielbar, gerade im Herbst und Winter."

"Aber der Pogo schwört, dass seine Oma das noch gesehen hat, wie die Bombe eingeschlagen ist!", beharrte Peter mit ernster Miene.

Ich musste kichern. Bombenkrater oder kaputte Drainage – beides klang nach Ärger. Es bedeutete, dass Spiele ausfielen, und damit fehlte dem Verein Geld, von dem Kalle gerade gesprochen hatte.

Beim Training war meine Konzentration an diesem Tag ein bisschen geteilt. Ich schaffte es, mehrere Bälle abzufangen, fast so, als könnte ich vorausahnen, wohin sie rollen würden. Doch während ich den Ball eroberte, dachte ich an die Gespräche, die ich belauscht hatte. An die hohen Ticketpreise, die Frau Meier beklagt hatte. An Kalles Sorgenfalten. An Peters Klebeband-Reparaturen und den unsichtbaren Bombenkrater.

Selbst Anne, der Grunewald-Papagei, schien die Spannung zu spüren. Immer öfter krächzte sie jetzt von ihrem Käfig her: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!" Es war, als würde sie mich direkt ansprechen, mich fragen, was ich jetzt tun würde.

Am Ende des Trainings saß ich wieder neben Frau Meier, die wie immer strickte. "Frau Meier", fragte ich leise, "wenn ein Spiel wegen dem Platz ausfällt... ist das dann sehr schlimm für den Verein?"

Sie nickte langsam. "Sehr schlimm, Murkel. Keine Zuschauereinnahmen, keine Bratwurstverkäufe, kein Geld in die Kasse. Und wir brauchen doch jeden Cent. Es ist wirklich eine schwierige Zeit für unseren lila Verein." Sie seufzte. "Manchmal wünschte ich, wir hätten einen Zauberer, der all unsere Probleme löst."

Ein Zauberer. Ich wusste, dass ich kein Zauberer war. Aber ich war Murkel, der Staubsauger im Mittelfeld. Und ich begann, darüber nachzudenken, wie man einem Verein helfen konnte, der jeden Cent brauchte und dessen Rasen von einem imaginären Bombenkrater geplagt wurde. Eine vage Idee, so klein und zart wie ein Veilchen, begann in meinem Kopf zu keimen.

Wird Murkel den Verein retten? Und was hat es mit dem Bombenrater auf sich? Und warum ist der Verein dermaßen in Schieflage geraten? To be continued...
"In den letzten Jahren gab es sehr viele Sponsoren die sich wg. der Rothersgruppierungen von Verein wieder abgewendet haben."

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mr. bungle
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Re: Murkel und das lila Wunder

Avatar Beitrag von mr. bungle »

<3

Bin gespannt, wat mit Murkel war. Und mit Bunduki!
Den letzten Satz gewinnen wir!
eintracht
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Re: Murkel und das lila Wunder

Beitrag von eintracht »

wunderbar
... support Murkel!
fairistmehr
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Re: Murkel und das lila Wunder

Beitrag von fairistmehr »

Also ich find's ja doof, wenn einzelne hier den Kanal vollmüllen. ;-)
Mika
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Re: Murkel und das lila Wunder

Beitrag von Mika »

Bitte als Fanzine! Solange Texte lese ich online nicht 😜
Denis
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Re: Murkel und das lila Wunder

Beitrag von Denis »

Mal sehen, erstmal gibts das Büchlein digital. Aber vielleicht ja auch mal als TeBeClam Heft :D

Kapitel 5: Eine Schnitzeljagd nach Ideen


Die Worte von Frau Meier, Kalle und Peter hallten in meinem Kopf wider. Ein Fass ohne Boden, keine neuen Bälle, kaputte Bewässerung und dieser verdammte Bombenkrater – oder die Drainage, wie Kalle sagte. Es war klar, TeBe brauchte dringend Geld. Aber wie konnte ein dreizehnjähriges Mädchen da helfen? Ich war ja nicht Dagobert Duck.

Ich saß in meinem Zimmer, meine Fußballschuhe lagen achtlos in der Ecke. Normalerweise hätte ich jetzt auf meinem Handy rumgedaddelt, aber die Langeweile war verschwunden, ersetzt durch eine seltsame Mischung aus Sorge und einer aufkeimenden Entschlossenheit.

"Wie kriegt man Geld?", murmelte ich vor mich hin. Spendensammlungen? Ein Kuchenbasar? Das klang alles so klein für einen ganzen Fußballverein. Ich dachte an die teuren Eintrittskarten, die Frau Meier ärgerten. Wenn die Preise hochgingen und trotzdem niemand kam, war das ja auch keine Lösung.

Plötzlich krächzte es aus der Ecke. Ich hatte vergessen, dass Mama den Papagei Anne für ein paar Tage zu uns genommen hatte, weil Herr Lehmann verreist war. Anne starrte mich mit ihrem schief gelegten Kopf an und fragte in ihrem typischen Singsang: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!"

"Ja, genau, Anne!", sagte ich, als würde sie mich wirklich verstehen. "Was ist mit Murkel? Murkel braucht eine Idee!"

Ich kramte mein altes Notizbuch hervor, das ich sonst für Schulaufgaben benutzte, und schrieb in großen Buchstaben: TEBE RETTEN!

Darunter kritzelte ich Stichworte:
  • Geld verdienen:
    Mehr Fans anlocken? Wie?
    Bessere Bratwürste?
    Tombola?
Geld sparen:
  • Alte Bälle kleben? (Blödsinn, dachte ich gleich wieder)
    Den Rasen reparieren? Aber ohne Geld?
Ich stieß auf einen Artikel im Internet über Crowdfunding. Leute spenden kleine Beträge für ein großes Projekt. Das klang interessant, aber auch nach viel Aufwand. Und warum sollten Leute einem verschuldeten Fußballverein spenden?

Ich musste mehr wissen, nicht nur über die Finanzen, sondern auch über die Geschichte des Vereins. Vielleicht lag da der Schlüssel? Frau Meier hatte von den glorreichen Zeiten gesprochen.
Am nächsten Morgen, noch vor dem Training, ging ich nicht direkt zum Platz. Stattdessen schlich ich mich in den kleinen Vereinsladen, wo es lila Schals und Trikots gab. Der Verkäufer, ein freundlicher älterer Herr mit TeBe-Mütze, sah mich fragend an.

"Entschuldigen Sie", sagte ich, "ich wollte mal fragen... was war TeBe denn früher so für ein Verein?"
Der Mann lächelte. "Ach, Murkel. Du bist doch die Neue beim Ferientraining, stimmt's? TeBe war mal groß! Richtig groß! Deutscher Meister, Pokalsieger – naja, nicht ganz, aber wir waren nah dran! Wir haben in der ersten Liga gespielt, in den Siebzigern war das. Mit echten Stars! Wir waren der 'Lila Laune-Klub'!"

Ich hörte aufmerksam zu. Er erzählte von vollen Stadien, von Derbys, die ganz Berlin elektrisierten, von den Zeiten, als der Name Tennis Borussia nicht nur in Westend, sondern in ganz Deutschland bekannt war. Er sprach von der Leidenschaft der Fans, die auch in schwierigen Zeiten nie aufgegeben hatten. "Aber dann", seufzte er, "kamen die falschen Leute, Leute wie Redi Weinkaufsen. Versprechen über große Investitionen, schnelle Erfolge. Und am Ende stand der Verein vor dem Ruin. Wir sind abgestürzt, immer weiter, bis in die unterste Liga. Und seitdem kämpfen wir ums Überleben."

Die Worte "falsche Leute" hallten in meinem Kopf wider. Wer waren diese Leute? Was hatten sie getan? Es klang schlimmer, als nur zu wenig Geld. Es klang nach... Betrug.
Ich verließ den Laden mit einem Wirbelsturm im Kopf. Stars, volle Stadien, lila Laune. Und dann "falsche Leute" und Ruin. Das war keine einfache Geldsache. Das war eine tiefe Wunde.
"Murkel! Training!", rief Kalle, der mich schon suchte. Ich rannte zum Platz, mein Kopf voller neuer Informationen und einer brennenden Neugier, die viel stärker war als jede Langeweile.

Kapitel 6: Die geplatzte Hoffnung und die giftige Plage

Die Tage nach meinem Gespräch im Vereinsladen waren angefüllt mit Training, aber mein Kopf arbeitete im Hintergrund auf Hochtouren. Die Geschichten vom "Lila Laune-Klub" und den "falschen Leuten" ließen mich nicht los. Ich wollte mehr wissen, aber ich wusste nicht genau, wo ich anfangen sollte.

Dann kam die nächste Hiobsbotschaft, die wie ein Donnerschlag auf den Verein niederprasselte. Kalle verkündete es uns nach dem Training, seine Stimme war belegt.
"Leute, ich habe leider keine guten Nachrichten. Das große Fanturnier, das wir auf der Hans-Rosenthal-Sportanlage geplant hatten, um Geld für den Verein zu sammeln... es muss abgesagt werden."

Ein Raunen ging durch die Gruppe der Kinder und auch die wenigen anwesenden Eltern schüttelten die Köpfe. Ein Turnier? Mit Fans aus ganz Europa? Das klang nach einem riesigen Event, nach vielen Zuschauern und noch mehr Einnahmen. "Wieso das denn, Trainer?", fragte ein älterer Junge.
Kalle seufzte. "Es gab einen Befall mit dem Eichenprozessionsspinner. Die Raupen sind überall auf dem Gelände der Hans-Rosenthal-Sportanlage. Der Kontakt mit den Härchen ist gefährlich, kann schwere allergische Reaktionen auslösen. Das Bezirksamt hat eine Platzsperrung verhängt. Wir können das Risiko nicht eingehen."

Ich spürte, wie meine Schultern zusammensackten. Ein Fanturnier in ganz Europa – das hatte sich nach so viel Hoffnung angehört. Und jetzt machte ein paar giftige Raupen alles zunichte. Das war so ein Pech!

Peter, der Platzwart, der ebenfalls dabei stand, kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Mistviecher sind das. Immer Ärger mit diesen Dingern. Und die Kosten für die Bekämpfung... die schlagen auch wieder rein." Er murmelte etwas von "immer mehr Probleme als Geld".

Der Ausfall des Turniers traf den Verein hart, das spürte man sofort. Die Stimmung kippte. Trainer Kalle versuchte, uns trotzdem zu motivieren, aber die Anspannung war spürbar. Die Erwachsenen sprachen noch ernster miteinander über die Finanzen. Ich hörte Worte wie "Liquidität" und "Insolvenzantrag". Das klang überhaupt nicht gut.

Am nächsten Tag setzte ich mich mit meinem Notizbuch und einem Stift in eine ruhige Ecke des Mommsenstadions. Der Papagei Anne saß in ihrem Käfig unter der Tribüne und krächzte gelegentlich ihr berühmtes: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!" Es war, als würde sie mich antreiben.

Ich dachte an die Geschichten vom Vereinsladen-Verkäufer, von den "falschen Leuten". Und ich dachte an den Eichenprozessionsspinner und den Bombenkrater unter dem Rasen. Es war, als würde TeBe von innen und außen angegriffen werden.

"Wer waren diese falschen Leute?", murmelte ich vor mich hin. "Und was haben sie getan, dass der Verein jetzt so kaputt ist?" Die aktuellen Probleme, wie der Ausfall des Turniers, waren nur Symptome. Ich spürte, dass die wahre Ursache viel tiefer lag. Es musste mehr dahinterstecken als nur Pech mit dem Rasen oder Raupen.

Ich beschloss, dass ich nicht nur nach Lösungen für die aktuellen Geldprobleme suchen konnte, sondern auch die Wurzel des Übels finden musste. Wenn die "falschen Leute" den Verein in diese Lage gebracht hatten, dann musste man wissen, wer das war und wie sie vorgegangen waren. Vielleicht gab es da ja einen Ansatzpunkt für eine richtige Rettung, nicht nur für eine kleine Spendenaktion. Meine kindliche Idee begann, sich mit einem Detektivspiel zu vermischen.

Kapitel 7: Pogo, Punkrock und der Keller des Mommsenstadions


Die Nachricht vom geplatzten Fanturnier und den giftigen Raupen hing wie eine Gewitterwolke über dem Mommsenstadion. Doch in mir hatte sich etwas geändert. Die Sorge war nun mit einer Art Detektivfieber gemischt. Ich musste herausfinden, wer diese "falschen Leute" waren, die TeBe so ins Unglück gestürzt hatten.

Ich hatte gehört, dass Pogo, einer der treuesten TeBe-Fans, eine Würstchenbude in der Wilmersdorfer Straße betrieb, genau da, wo früher das berühmte Fischrestaurant Rogacki war. Eine Würstchenbude, betrieben von einem ehemaligen Punkrock-Musiker – das klang genau nach dem Typen, der mir helfen konnte.

Am nächsten Nachmittag, bewaffnet mit meinem Notizbuch, machte ich mich auf den Weg. Schon von Weitem roch ich den Duft von Bratwurst und Currysoße. Pogo war leicht zu erkennen: Ein stattlicher Mann mit einem wirren Haarschopf, einem alten TeBe-Schal um den Hals und einem Grinsen, das trotz allem Optimismus verströmte. Hinter ihm, an der Wand der Bude, hing eine vergilbte Gitarre und ein Poster einer alten Punkband.

"Na, du bist doch die Murkel, oder?", brummte er, als ich näherkam. "Kalle hat mir schon von dir erzählt. Kleine Staubsaugerin im Mittelfeld, was?" Er lachte, ein tiefes, raues Lachen.

"Hallo, Pogo", sagte ich schüchtern. "Ich wollte dich was fragen. Wegen TeBe."

Sein Lächeln verschwand, und seine Augen wurden ernst. "Ah, die Scheiße. Ja, da gibt's leider viel zu erzählen. Was willst du wissen?"

Ich zögerte. "Wer waren diese 'falschen Leute', von denen alle reden? Die, die TeBe ruiniert haben?"

Pogo lehnte sich an seinen Tresen. "Setz dich, Murkel. Das ist eine längere Geschichte. Damals, das war in den Neunzigern, da kam so ein Typ namens Redi Weinkaufsen. Hat sich als großer Retter und Investor ausgegeben. Hat vom Europapokal geschwärmt, von großen Namen, die er holen wollte. TeBe sollte wieder ganz nach oben."

Ich schrieb alles eifrig mit. Redi Weinkaufsen.

"Er war slick, hatte teure Anzüge und ein Grinsen, das dir das Geld aus der Tasche zog, ohne dass du es merktst. Er hat den Verein mit seinen dubiosen Geschäften in den Ruin getrieben. Hat Kredite aufgenommen, die nie zurückgezahlt wurden. Hat Versprechen gemacht, die er nie halten konnte. Am Ende war der Verein pleite, stand vor dem Aus. Wir sind abgestürzt, bis in die siebte Liga. Ein Albtraum war das." Pogo spuckte angewidert auf den Boden.

"Aber was genau hat er gemacht?", fragte ich. "Wie haben die das nicht gemerkt?"

Pogo zuckte die Achseln. "Das ist ja das Problem. Alles lief über Briefkastenfirmen, undurchsichtige Verträge. Man hat ihm geglaubt, weil er so überzeugend war. Die Leute wollten doch so gern an das Märchen glauben. Aber es war alles faul. Eine große Schweinerei war das. Das war keine Pechsträhne, das war Absicht."

Mir wurde ganz kalt. Das war ja viel schlimmer, als ich dachte. Nicht nur Geldprobleme, sondern gezielte Zerstörung.

"Gibt es denn noch irgendwelche Beweise?", fragte ich. "Irgendwelche Unterlagen?"

Pogo überlegte. "Hm. Damals wurde ja viel versucht, aufzuklären. Aber der Kerl war clever. Viele Sachen sind verschwunden. Aber..." Er tippte sich an die Schläfe. "Ich erinnere mich, dass unser alter Vereinsarchivar, der Herr Schmidt, ein richtiger Pedant war. Der hat alles gesammelt. Er hatte immer seinen Kram im Keller des Mommsenstadions."

Meine Augen leuchteten. Der Keller! Vielleicht gab es dort ja alte Akten, die noch niemand richtig durchgesehen hatte.

Pogo sah mich skeptisch an. "Aber der Keller ist doch voll mit altem Zeug. Und der ist manchmal auch ganz schön feucht. Da findest du doch nichts."

"Das werden wir ja sehen!", sagte ich, meine Stimme war plötzlich voller Entschlossenheit. Ich bedankte mich bei Pogo, kaufte mir noch eine Bratwurst, die tatsächlich köstlich war, und machte mich auf den Rückweg. Mein Kopf brummte, aber meine Idee nahm Gestalt an. Ich brauchte nicht nur Geld für TeBe. Ich musste Gerechtigkeit finden. Und der Keller war mein erster Anhaltspunkt.


Kapitel 8: Pogos Tipps, Staub und das krächzende Echo des Kellers


Die Geschichte von Redi Weinkaufsen und den undurchsichtigen Geschäften ließ mich nicht mehr los. Es war nicht einfach nur Pech, das TeBe in diese Lage gebracht hatte. Das war Betrug. Und der Gedanke an den Keller des Mommsenstadions, gefüllt mit alten Akten, ließ meine Fantasie Purzelbäume schlagen.

Am nächsten Tag war das Training kürzer, da Kalle einen Termin hatte. Das war meine Chance. Ich packte eine alte Taschenlampe ein, die ich in Mamas Schublade gefunden hatte, und schlich nach dem Training unauffällig zum Stadion. Peter, der Platzwart, war noch auf dem Feld, vertieft in ein Gespräch mit einem Rasenmäher. Niemand würde mich bemerken.

Ich kannte den Weg zum Keller. Er war neben den Umkleidekabinen, eine unscheinbare Holztür, die meist verschlossen war. Heute stand sie einen Spalt offen. Ein muffiger Geruch schlug mir entgegen, nach feuchter Erde, altem Papier und irgendwas Metallischem. Ich zückte meine Taschenlampe und trat ein.

Es war dunkel. Stockdunkel. Die Taschenlampe warf flackernde Schatten an die Wände. Der Keller war ein Labyrinth aus Regalen, die bis zur Decke reichten, vollgestopft mit allem Möglichen: alte Trikots, verrostete Sportgeräte, kaputte Stühle, staubige Pokale ohne Namen. Es roch noch stärker nach Verfall.

"Puh", murmelte ich. Hier sollte ich Unterlagen finden? Das war ja wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Oder dem Bombenkrater unter dem Rasen.

Plötzlich hörte ich ein Krächzen. Nicht von oben, nicht vom Käfig unterm Tribünendach. Es kam von hier unten!

"UND WATT WAR MIT MURKEL?!"

Ich zuckte zusammen. "Anne?", flüsterte ich. War der Papagei etwa auch im Keller? Unsinn. Herr Lehmann war doch verreist. Dann sah ich es: Auf einem der oberen Regale stand ein kleinerer Reisekäfig, und darin saß Anne. Sie war wohl auch mit in den Keller gestellt worden, um sie vor der Hitze oder anderen Dingen zu schützen. Sie starrte mich mit ihrem schief gelegten Kopf an, und ihre Augen glänzten im Licht meiner Taschenlampe.

"Anne, du machst mir Angst!", sagte ich, halb lachend, halb erschrocken.

Ich ignorierte sie und begann meine Suche. Regal für Regal. Ich zog alte Ordner heraus, die in Plastiksäcken steckten, durchsuchte verstaubte Kisten. Die meisten waren voll mit unspektakulären Sachen: alte Mitgliederlisten, Rechnungen für Trikotbestellungen von vor zwanzig Jahren, Fanpost.

Meine Finger waren bald schwarz vom Staub, und meine Augen brannten. Ich war kurz davor aufzugeben, als ich ganz hinten in einer dunklen Ecke eine unscheinbare Holzkiste entdeckte. Sie war nicht beschriftet und schien halb unter einem Berg alter Fußbälle begraben zu sein. Ich zog sie hervor. Sie war schwer und knarrte, als ich den Deckel öffnete.

Die Kiste war voller alter Zeitungen, ausgeschnittener Artikel und vergilbter Ordner. Ich hustete im Staub und zog den obersten Ordner heraus. Er war mit "VERTÄGE – GEHEIM" beschriftet, handschriftlich und in einer ordentlichen, fast pedantischen Schrift. Das musste von Herrn Schmidt sein, dem alten Archivar, von dem Pogo gesprochen hatte.

Ich klappte den Ordner auf. Darin waren Kopien von Verträgen, handschriftliche Notizen und sogar Fotos. Mein Blick fiel auf ein vergilbtes Foto: Ein lächelnder Mann in einem teuren Anzug, der jemandem die Hand schüttelte. Unter dem Foto stand in feiner Schrift: "Redi Weinkaufsen, 1994".

Meine Herz schlug schneller. Ich hatte ihn gefunden. Die "falschen Leute" hatten einen Namen.

Ich blätterte weiter. Die Verträge waren voller Fachbegriffe, die ich nicht verstand. Aber die Notizen, die Herr Schmidt dazu geschrieben hatte, waren in einer klareren Sprache. "Darlehen nicht abgesichert", "Grundstücksrechte abgetreten", "Undurchsichtige Vermittlungsprovisionen". Es klang alles nach Betrug. Nach Absicht.

Ich hatte einen Schatz gefunden. Keinen Goldschatz, aber einen viel wichtigeren: Beweise. Beweise, die erklären konnten, warum TeBe am Boden war. Beweise, die vielleicht den Weg zur Rettung ebnen konnten.

Ich musste das alles Kalle zeigen. Und Frau Meier. Und vielleicht sogar Peter. Aber wie konnte ein dreizehnjähriges Mädchen diese komplexen Dokumente verstehen und vor allem: beweisen, dass sie echt waren und etwas ändern konnten?

Kapitel 9: Medienrummel, ein fliehender Schatten und die Suche nach einem Plan

Die Holzkiste im Keller des Mommsenstadions war ein echter Coup. Mit zitternden Händen hatte ich die Ordner, Notizen und Fotos von Redi Weinkaufsen an mich genommen. Das waren keine vagen Gerüchte mehr, das waren handfeste Beweise seiner Machenschaften. Ich wusste, ich musste das öffentlich machen.

Ich versuchte zuerst, mich durch die komplizierten Dokumente zu kämpfen. Begriffe wie "Scheindarlehen", "Treuhänder" und "Offshore-Konten" schwirrten durch meinen Kopf. Ich verbrachte Stunden mit meinem Tablet, googelte jeden Fachbegriff, aber es war wie ein riesiges Puzzle, dem viele Teile fehlten. Ich verstand einzelne Wörter, aber das große Ganze blieb mir verschlossen. Ich war nur ein dreizehnjähriges Mädchen, und das hier war die Welt der Finanzbetrüger.

Frustriert, aber entschlossen, wandte ich mich an die "Fußball-Woche". Ich hatte im Vereinsladen gesehen, wie oft Kalle und die älteren Fans diese Zeitung lasen. Ich schickte eine anonyme E-Mail, in der ich andeutete, wichtige Dokumente über die Vergangenheit von TeBe und die Rolle eines gewissen Redi Weinkaufsen zu besitzen.

Was dann geschah, war wie ein kleines Erdbeben. Ein paar Tage später klingelte mein Telefon Sturm. Der Reporter Hotte Rudisen von der "Fußball-Woche" wollte sich unbedingt mit mir treffen. Und kurz darauf rief sogar der Tagesspiegel an. Ich war plötzlich "die mysteriöse Hinweisgeberin".

Ich traf mich mit Hotte Rudisen in einem Café. Er war ein älterer, freundlicher Mann mit wachen Augen. Ich zeigte ihm die Kopien der Dokumente, die ich im Keller gefunden hatte. Er blätterte ungläubig, seine Augen wurden immer größer.

"Unglaublich, Murkel!", raunte er. "Das ist ja eine Sensation! Das ist der Beweis, den sie nie gefunden haben!"

Die Artikel erschienen. Zuerst in der "Fußball-Woche", dann mit großem Aufmacher im Tagesspiegel: "Neue Beweise gegen TeBe-Zerstörer Weinkaufsen aufgetaucht!", "Die dunkle Vergangenheit von Tennis Borussia ans Licht gebracht!" Mein Name wurde nicht genannt, aber ich war stolz. Endlich wusste jeder, was für ein Schurke dieser Redi Weinkaufsen war.

Doch die Freude währte nicht lange. Zwei Wochen lang war die Sache in den Medien präsent. Talkshows luden Experten ein, Kommentatoren forderten Gerechtigkeit. Aber dann versandete die Geschichte. Die alten Probleme des Vereins blieben bestehen: der mangelnde Rasen, die fehlenden Einnahmen, die leere Vereinskasse. Und dann kam die Nachricht, die wie ein Schlag ins Gesicht war: Redi Weinkaufsen hatte sich ins Ausland abgesetzt! Angeblich sollte er jetzt in Indien DSL-Anschlüsse verkaufen, weit weg von jeglicher deutscher Justiz. Er war wieder einmal entwischt.

Ich saß auf der Tribüne des Mommsenstadions, neben mir der Papagei Anne in ihrem Käfig. "UND WATT WAR MIT MURKEL?!", krächzte sie. Ich fühlte mich hilflos. Ich hatte die Wahrheit ans Licht gebracht, aber es hatte nichts geändert. Der Verein stand immer noch am Abgrund. Die Insolvenz drohte.

Ich starrte auf den Rasen, der an einigen Stellen schon wieder matschig aussah, obwohl es gar nicht so stark geregnet hatte. Der Bombenkrater-Mythos von Pogo und die reale Drainage-Katastrophe. Mir wurde klar: Ich konnte nicht nur auf die Vergangenheit schauen. Ich musste in die Zukunft blicken. Ich musste eine Idee entwickeln, wie man TeBe wirklich retten konnte. Eine große Idee. Ich kritzelte wieder in meinem Notizbuch.

TEBE RETTEN! (Plan B)
  • Geld reinholen (viel!):

    Nicht nur Kuchenbasare

    Was ist einzigartig an TeBe?

    Wie kann man die Geschichte nutzen?

    Problem mit dem Rasen lösen! (Der Bombenkrater!)

    Falsche Leute stoppen! (Aber wie, wenn Redi im Ausland ist?)
Ich fühlte mich wie in einem großen, komplizierten Fußballspiel. Ich hatte den Ball erobert (die Beweise), aber jetzt musste ich ein Tor schießen (den Verein retten).


Wird Redi Weinkaufsen das Handwerk gelegt werden oder bleibt alles ungesühnt? Und wie geht es mit TeBe weiter? Kann ausgerechnet ein kleines Mädchen diesen mächtigen Traditionsverein retten? Morgen gehts weiter.
"In den letzten Jahren gab es sehr viele Sponsoren die sich wg. der Rothersgruppierungen von Verein wieder abgewendet haben."

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Denis
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Re: Murkel und das lila Wunder

Beitrag von Denis »

Kapitel 11: Flenki Jochensen und die Aussicht auf Grüne Hände

Meine Odyssee durch die Berliner Ämter hatte sich ausgezahlt – nicht mit sofortiger Genehmigung oder gar Geld, aber mit Kontakten. Und mein nächster Anlaufpunkt war das Grünflächenamt. Ich hatte einen Termin bei Flenki Jochensen, dem Leiter der Abteilung, ein Mann, den ich mir grauer und verstaubter vorgestellt hatte. Stattdessen begrüßte mich ein überraschend sportlicher Typ mit wachen Augen und einem Händedruck, der so fest war, dass meine Hand fast knackte.

Ich legte meine verrückte Idee mit dem "Bombenkrater" und der gemeinschaftlichen Ausgrabungsaktion auf den Tisch. Ich sprach über die kaputte Drainage, die ausfallenden Spiele und die drohende Insolvenz von TeBe. Ich erwähnte Pogos Geschichten und Peters Sorgen. Ich versuchte, meine kindliche Entschlossenheit in so professionelle Worte wie möglich zu packen.

Flenki Jochensen hörte aufmerksam zu, ohne zu lächeln oder meine Idee als "süßen Spatzen-Gedanken" abzutun. Als ich fertig war, lehnte er sich zurück und starrte nachdenklich an die Decke.

"Murkel", sagte er schließlich, "die Idee mit dem Bombenkrater... nun ja, historisch ist das kaum belegbar, und der Grund ist, wie Trainer Kalle schon sagte, wohl eher eine marode Drainage. Aber die Idee, dass sich die Fans selbst um ihren Rasen kümmern, dass sie buchstäblich Hand anlegen, um ihren Verein zu retten... das ist brillant!"

Meine Augen weiteten sich. Brillant? Das war die erste positive Reaktion, die ich nicht nur als "rührend" oder "originell" abtat.

"Wir haben hier im Amt leider auch kein Geld für so ein Großprojekt, Murkel", fuhr er fort, "die Kassen sind leer, wie überall. Aber ich kenne viele Garten- und Landschaftsbau-Firmen hier in Berlin. Leute, die Profis sind. Die haben Bagger, die haben Know-how, und viele von ihnen sind auch Sportfans oder haben ein Herz für Traditionsvereine."

Ein Funkeln trat in seine Augen. "Was, wenn wir die ansprechen? Wenn wir sie um Hilfe bitten? Nicht um Geld, sondern um Arbeitskraft, um Material, um Maschinen. Als eine Art Charity-Aktion für den Verein. Ich kann einen Newsletter an alle meine Kontakte in der Branche schicken. Eine Art Aufruf: 'TeBe braucht Grüne Hände!'"

Ich konnte es kaum glauben. Ein Erwachsener, der meine Idee ernst nahm und sogar einen konkreten Plan hatte! "Das wäre... das wäre super, Herr Jochensen!", stammelte ich.

"Nennen Sie mich Flenki", sagte er und grinste. "Und das wäre eine win-win-Situation. Die Firmen können ihr soziales Engagement zeigen, die Medien würden darüber berichten, und TeBe bekommt seinen Rasen wieder flott. Das würde auch das Problem mit den Spielausfällen lösen und somit für neue Einnahmen sorgen!"

Wir sprachen noch eine Weile über die Details. Flenki Jochensen war voller Energie. Er versprach, den Newsletter noch diese Woche rauszuschicken. Er würde auch mit Kalle und dem Vorstand sprechen, um sicherzustellen, dass alles reibungslos ablief.

Als ich das Grünflächenamt verließ, war mein Kopf nicht mehr voller Sorgen, sondern voller Tatendrang. Die verrückte Idee, die jeder abgetan hatte, begann langsam, Flügel zu bekommen. Der Papagei Anne hatte in meinem Zimmer wahrscheinlich wieder gekrächzt: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!" Und ich hatte jetzt eine Antwort: Murkel hatte einen Plan – und einen mächtigen Verbündeten.

Kapitel 12: Grüne Hände und ein überraschter Vorstand

Flenki Jochensen hielt sein Wort. Schon wenige Tage nach unserem Gespräch flatterte der Newsletter des Grünflächenamtes in die digitalen Postfächer unzähliger Garten- und Landschaftsbau-Firmen in Berlin und Umgebung. Der Betreff: "TeBe braucht Grüne Hände! Eine ungewöhnliche Rettungsaktion für einen Traditionsverein."

Ich war nervös. Würde sich wirklich jemand melden? Oder war meine Idee doch zu verrückt?

Doch dann, am nächsten Trainingstag, kam Kalle mit einem breiten Grinsen auf mich zu. Er hielt sein Handy in der Hand. "Murkel! Du glaubst es nicht! Flenki Jochensen hat angerufen! Der ist total begeistert!"

Meine Augen weiteten sich. "Und? Haben sich Firmen gemeldet?"

"Gemeldet?", rief Kalle. "Murkel, die Telefone stehen nicht still! Drei große Firmen haben schon ihre Unterstützung zugesagt! Eine bietet an, Bagger und LKW zu stellen, eine andere will das Material für die Drainage spenden, und die dritte schickt ein ganzes Team von Landschaftsgärtnern! Und das ist nur der Anfang, Flenki meint, es kommen noch mehr Anfragen rein!"

Ich konnte es kaum fassen. Meine verrückte Idee, die alle belächelt hatten, nahm tatsächlich Gestalt an!

"Das ist unglaublich, Murkel", sagte Kalle, der immer noch ungläubig den Kopf schüttelte. "Ich hätte nie gedacht, dass das funktioniert. Das ist ja... das ist ja ein Wunder!"

Doch mit der Begeisterung kam auch die Realität. Kalle führte mich in das kleine Büro des Vorstands. Dort saßen neben Herrn Lehmann, dem Bürohelfer, zwei weitere ältere Herren, die ich noch nicht kannte. Sie sahen ernst aus.

"Murkel, das sind Herr Schulz und Herr Becker vom Vorstand", stellte Kalle vor. "Sie haben von Flenkis Initiative gehört."

Die Herren musterten mich. Herr Schulz, der Vorsitzende, räusperte sich. "Murkel, wir sind... überrascht. Und beeindruckt von Ihrem Engagement. Herr Jochensen hat uns kontaktiert, und die Resonanz aus der Branche ist tatsächlich phänomenal."

Herr Becker nickte zustimmend. "Wir hatten nicht damit gerechnet, dass ein solch unkonventioneller Ansatz so schnell Früchte tragen würde. Die Idee, den 'Bombenkrater' symbolisch auszugraben, hat eine enorme PR-Wirkung. Das ist nicht zu unterschätzen."

Ich schluckte. Sie sprachen über PR-Wirkung, während ich an den matschigen Rasen und die ausfallenden Spiele dachte.

"Allerdings", fuhr Herr Schulz fort, "ist so eine Aktion auch mit Risiken verbunden. Wir müssen die Sicherheit gewährleisten, Genehmigungen einholen, die Logistik planen. Und es ist immer noch ein riesiges Projekt. Wir müssen als Vorstand eine offizielle Entscheidung treffen."

Er sah mich direkt an. "Wir wissen, dass Sie das angestoßen haben, Murkel. Und wir sind Ihnen dankbar. Aber wir müssen das sorgfältig prüfen. Wir können nicht einfach 'Ja' sagen, nur weil es eine gute Geschichte ist. Wir müssen sicherstellen, dass es dem Verein wirklich hilft und nicht neue Probleme schafft."

Die anfängliche Euphorie wich einer gewissen Anspannung. Sie waren nicht so begeistert wie Flenki Jochensen. Sie waren vorsichtig. Aber sie hatten meine Idee nicht abgetan. Sie prüften sie. Das war schon ein großer Schritt.

Ich sah zum Fenster hinaus auf den Rasen. Peter, der Platzwart, stand dort und blickte sehnsüchtig auf die feuchten Stellen. Und aus der Ferne hörte ich Anne, den Papagei, krächzen: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!"

Ja, watt war mit Murkel? Murkel hatte eine Idee, die jetzt auf dem Prüfstand stand. Und ich wusste, ich durfte jetzt nicht aufgeben.

Kapitel 13: Neue Hürden und der Sound der Stille

Die Nachrichten von Flenki Jochensen und den spendablen Gartenbaufirmen hatten im Vorstand zwar für Staunen gesorgt, aber die anfängliche Euphorie war schnell einer gesunden Skepsis gewichen. Herr Schulz und Herr Becker waren keine Träumer wie Peter oder euphorische Strategen wie Flenki. Sie waren Pragmatiker, und Pragmatiker sahen Probleme, wo andere Chancen witterten.

"Murkel, wir wissen Ihr Engagement zu schätzen", hatte Herr Schulz gesagt, "aber wir müssen auch an die Risiken denken. Was passiert, wenn wir den Rasen aufreißen und dann doch nicht genügend Unterstützung zusammenbekommen? Woher kommt der neue Rasen? Das ist keine kleine Angelegenheit."

Diese Frage hatte mich wie ein Blitz getroffen. Ich hatte so sehr an die Ausgrabung und die PR gedacht, dass ich den neuen Rasen völlig vergessen hatte. Und tatsächlich, selbst wenn die Drainage repariert wäre, das Spielfeld wäre dann eine einzige Schlammgrube. Die Firmen boten Hilfe beim Graben und bei der Drainage, aber niemand hatte von einem komplett neuen Rasen gesprochen. Und ich wusste, der kostet ein Vermögen.

Die Sorgen des Vorstands waren berechtigt. Ein aufgegrabener Platz, auf dem dann doch kein Spiel stattfinden konnte, wäre eine Katastrophe. Kein Rasen, keine Spiele, keine Einnahmen. Das wäre das endgültige Aus.

Zudem merkte ich, wie sich die allgemeinen Probleme des Vereins im Hintergrund weiter zuspitzten. Die erste Männermannschaft startete mit gemischten Gefühlen in die Vorbereitung auf die neue Saison. Trainer Kalle versuchte, sie zu motivieren, aber man spürte die Anspannung. Jeder wusste, dass der Verein am Limit war. Wenn die Saison nicht gut lief, oder wenn Spiele wegen des Platzes abgesagt werden mussten, dann würde es eng.

Ein weiteres Problem, das sich in diesen Tagen immer deutlicher zeigte, war die alte Stadionanlage. Immer öfter gab es Aussetzer bei den Lautsprechern, über die bei Heimspielen die Musik von DJ Bangi Bangen lief. Einmal war mitten im Training die Ansage von Kalle kaum zu verstehen. Peter, der Platzwart, hatte nur den Kopf geschüttelt: "Alles marode hier, Murkel. Und Ersatzteile? Pustekuchen." Musik und Ansagen waren zwar nicht so lebensnotwendig wie der Rasen, aber sie trugen zur Stimmung bei, zum Erlebnis für die Fans. Und Fans brauchte TeBe mehr denn je.

Doch all diese neuen Probleme konnte ich nicht auf einmal angehen. Ich musste mich auf den "Bombenkrater" und meine verrückte Idee konzentrieren. Wenn ich den Vorstand nicht überzeugen konnte, würde es gar keinen Rasen geben, egal ob alt oder neu.

Ich musste mir etwas überlegen, um die Sorgen des Vorstands zu zerstreuen und ihnen zu zeigen, dass meine Idee nicht nur verrückt, sondern auch machbar war – und dass sie das Potenzial hatte, alle Probleme zu lösen.

Kapitel 14: Mittagstisch bei Pogo und eine Präsentation mit Verstärkung

Nachdem der Vorstand seine Bedenken geäußert hatte, wusste ich, dass ich mehr brauchte als nur eine verrückte Idee. Ich brauchte einen konkreten Plan und Antworten auf ihre Fragen. Wie sollten wir den Rasen ersetzen? Und wie sollte ich sie überzeugen?

Ich beschloss, meine Gedanken zu sortieren und ging zu Pogos Würstchenbude in der Wilmersdorfer Straße. Ein Ort, an dem man nicht nur köstliche Currywurst, sondern auch ehrliche Meinungen bekam.

Pogo stand hinter dem Tresen, wie immer, und lächelte, als er mich sah. "Na, Murkel! Kleine Detektivin! Wie läuft die Bombenkratersuche?"

Ich seufzte. "Nicht so gut. Der Vorstand macht Schwierigkeiten. Die wollen wissen, woher der neue Rasen kommen soll, wenn wir den alten aufreißen. Und ich hab keine Ahnung."

Pogo reichte mir eine Wurst. "So leicht lassen sich die alten Herren nicht überzeugen, was? Ist ein dickes Brett zu bohren, TeBe." Er blickte auf die Straße, wo ein alter, roter Doppeldeckerbus vorbeifuhr. "Manchmal braucht's eben mehr als nur eine Idee."

Während ich aß, kam ein älterer Mann mit einem TeBe-Schal um den Hals zu Pogo. "Na, Pogo! Schon gehört? Der Vorstand zögert wegen der Murkel-Idee. Die wollen einen neuen Rasen haben, und wo soll der herkommen?"

"Eben", brummte Pogo. "Wenn wir nur die Kohle hätten..."

"Ja!", rief der Mann. "Wenn wir nur die Kohle hätten, könnten wir doch einfach ein Spiel veranstalten und den Rasen versteigern! Jedes Stückchen für einen guten Zweck! Der 'Bombenkrater' könnte ja das Herzstück sein!"

Die Idee traf mich wie ein Blitz. Den Rasen versteigern! Das war es! Es löste nicht nur das Rasen-Problem, es brachte auch Geld ein und war eine weitere fantastische Geschichte für die Presse.

Mit diesem Gedanken im Kopf rannte ich zurück zum Mommsenstadion. Ich wusste, ich musste eine richtige Präsentation für den Vorstand vorbereiten. Aber ich konnte das nicht allein. Ich brauchte Verbündete.

Ich fand meine Freundinnen und Teamkameradinnen aus dem Feriencamp, allen voran Marie, die immer alles im Blick hatte, und Leonie, die super am Computer war. Ich erzählte ihnen von meiner Idee, der Bombenkrater-Ausgrabung, den Firmen, der Ablehnung des Vorstands und der neuen Idee mit der Rasen-Versteigerung.

"Das ist genial, Murkel!", rief Marie. "Wir können eine Powerpoint-Präsentation machen! Mit Bildern, Grafiken und allem, was die alten Herren beeindruckt!"

Leonie nickte eifrig. "Und wir machen eine Webseite dazu! Mit einem Countdown bis zum Spiel! Und wir erstellen Social-Media-Seiten, um für die Aktion zu werben!"

Wir verbrachten die nächsten Tage damit, die Präsentation vorzubereiten. Wir sammelten alle Informationen, die ich über Redi Weinkaufsen und die Finanzprobleme hatte. Wir integrierten die Zusagen der Firmen, die Flenki Jochensen organisiert hatte, als Beweis, dass der Plan realistisch war. Und wir entwickelten die Idee des "Rasen-Spiels": Ein großes Benefizspiel, bei dem jedes einzelne Stück Rasen versteigert werden würde. Höhepunkt der Versteigerung sollte das Stück Rasen sein, das über dem "Bombenkrater" lag.

Wir nannten unsere Präsentation: "Das TeBe-Wunder: Plan zur Rettung des Rasens und des Vereins."

Der Tag der Präsentation war gekommen. Ich stand mit Marie und Leonie vor den Vorstandsmitgliedern im kleinen, verstaubten Büro. Sie sahen uns skeptisch an. Doch als ich die erste Folie auflegte und meine Freundinnen ihre Teile der Präsentation vortrugen, merkte ich, dass sich ihre Mienen langsam änderten. Von Skepsis zu Neugier. Und schließlich zu einem leisen, fast unhörbaren Lächeln.

Wir hatten sie fast überzeugt. Jetzt mussten wir nur noch das finale Argument bringen: das bevorstehende wichtige Spiel der ersten Männermannschaft.

Kapitel 15: Die letzte Chance im Flutlicht

Die Spannung im kleinen Vorstandsraum war zum Greifen nah. Marie und Leonie hatten ihre Teile der Präsentation bravourös gemeistert, die Grafiken waren überzeugend, die Zahlen zeigten, wie viele Firmen sich gemeldet hatten. Aber ich spürte, dass der große Knackpunkt noch vor uns lag. Herr Schulz, der Vorsitzende, schob seine Brille zurecht und blickte mich erwartungsvoll an.

"Murkel", sagte er, "Ihre Initiative ist wirklich beeindruckend. Die Resonanz der Landschaftsbau-Firmen ist fantastisch. Und die Idee mit der Rasenversteigerung... ist, nun ja, mutig. Aber wir reden hier von einem enormen Aufwand. Und wir haben nicht unbegrenzt Zeit. Die Insolvenzfrist rückt näher."

Ich nickte. Das war meine Chance. Ich nahm allen Mut zusammen, den ich beim Grätschen auf dem Platz gelernt hatte. "Genau deshalb, Herr Schulz", sagte ich mit fester Stimme, "dürfen wir keine Zeit verlieren. Das nächste Heimspiel der ersten Männermannschaft steht in zwei Wochen an. Das ist unsere letzte Chance, um die Leute zu erreichen, bevor es zu spät ist!"

Ich zeigte auf die letzte Folie, die Leonie vorbereitet hatte. Sie zeigte das Mommsenstadion im Flutlicht, davor eine Menschenmenge und darüber die Worte: "Dein Stück TeBe – Der Rasen, der uns rettet!"

"Stellen Sie sich vor", fuhr ich fort, "wir nutzen dieses Spiel als Startschuss für die große 'Ausgrabungsaktion'. Wir sprechen mit den Fans, direkt im Stadion. Wir erzählen ihnen die Geschichte vom Bombenkrater-Mythos und wie wir ihn in eine reale Chance verwandeln. Wir kündigen die Rasen-Versteigerung an – jedes Quadratstück für einen guten Zweck! Es wäre nicht nur ein Spiel, es wäre ein Fest der Hoffnung!"

Herr Becker, der andere Vorstand, rieb sich das Kinn. "Ein Spiel nutzen... das ist ein interessanter Gedanke. Die Aufmerksamkeit wäre da."

"Wir können schon vor dem Spiel kleine Spendendosen aufstellen", fuhr ich energisch fort. "Wir können Flyer verteilen, die die Geschichte von Redi Weinkaufsen erzählen und zeigen, warum TeBe unsere Hilfe braucht. Und in der Halbzeit kann DJ Bangi Bangen die Aktion bewerben – wenn die Anlage funktioniert!" Ich zwinkerte Kalle zu, der verstehend nickte.

"Es geht nicht nur darum, Geld zu sammeln", erklärte ich weiter. "Es geht darum, die Fans wieder zu aktivieren. Die Leute, die Frau Meier jeden Tag strickend auf der Tribüne sieht. Die alten Fans wie Pogo. Die neuen, die durch die Medienaufmerksamkeit gekommen sind. Wenn sie sehen, dass wir uns selbst helfen, dass wir bereit sind, buchstäblich in die Erde zu graben, dann glauben sie wieder an uns. Das schafft eine Welle der Begeisterung!"

Ich blickte von einem Vorstandsmitglied zum anderen. "Wir können nicht warten, bis alles perfekt ist. TeBe braucht jetzt eine Bewegung. Eine, die größer ist als nur ein Fußballspiel. Eine, die das Herz der Fans erreicht."

Herr Schulz und Herr Becker sahen sich an. Kalle nickte mir aufmunternd zu. Eine Weile herrschte Schweigen, dann räusperte sich Herr Schulz erneut.

"Murkel", sagte er langsam, "Ihre Leidenschaft ist ansteckend. Und die Argumente, dass wir eine solche Chance nicht verstreichen lassen dürfen, sind... überzeugend." Er atmete tief durch. "Gut. Wir geben dem Plan eine Chance. Wir werden die Ausgrabungsaktion offiziell genehmigen. Und das kommende Heimspiel der ersten Mannschaft wird zur Startveranstaltung für die 'Operation Rasenrettung'."

Mir fiel ein Stein vom Herzen, so groß wie ein Fußball. Ich hatte es geschafft!

"Aber", fügte Herr Schulz hinzu, "es gibt noch viel zu tun. Wir brauchen einen genauen Zeitplan, klare Absprachen mit den Firmen. Und was die Stadionanlage angeht..."

Ich grinste. "Keine Sorge, Herr Schulz. Darum kümmere ich mich."

Wird die Versteigerung des Rasens genug Geld einbringen und geht dieser Plan insgesamt überhaupt auf? Und watt war mit Murkel!? Mehr dazu morgen.
"In den letzten Jahren gab es sehr viele Sponsoren die sich wg. der Rothersgruppierungen von Verein wieder abgewendet haben."

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Kapitel 16: Bangi Bangen, der Halensee und ein glücklicher Zufall

Die Zusage des Vorstands war ein Riesenerfolg, aber die Liste der Baustellen war noch lang. Ganz oben stand die defekte Stadionanlage. Ohne Musik und klare Ansagen würde das "Fest der Hoffnung" nur halb so wirkungsvoll sein. Also machte ich mich auf die Suche nach DJ Bangi Bangen. Ich hatte gehört, dass er oft im Café in der alten Halenseekurve war, einem kultigen Treffpunkt am Halensee.

Ich fand ihn dort, genau wie beschrieben. Ein großer Mann mit einer beeindruckenden Mähne aus Dreadlocks und einem immerwährenden Grinsen. Er saß an einem Tisch und notierte etwas in einem dicken Notizbuch, während im Hintergrund Reggae-Musik lief.

"Entschuldigen Sie, DJ Bangi Bangen?", fragte ich vorsichtig.

Er hob den Blick, seine Augen funkelten. "Na, Murkel, stimmt's? Kleine Detektivin! Kalle hat mir schon von dir erzählt. Was kann Bangi Bangen für dich tun?"

Ich erklärte ihm die Situation: die geplante Ausgrabungsaktion, das wichtige Spiel als Startschuss und die Notwendigkeit, dass die Stadionanlage einwandfrei funktionierte. "Wir brauchen dich, Bangi Bangen", sagte ich. "Deine Musik, deine Ansagen. Das ist so wichtig für die Stimmung!"

Er seufzte. "Ach, Murkel. Ich liebe TeBe, das weißt du. Aber diese alte Anlage... die macht, was sie will. Ich hab schon versucht, da was zu retten, aber das ist ein Fass ohne Boden. Und für was Neues haben wir ja kein Geld." Er schüttelte resigniert den Kopf. "Ich kann nicht garantieren, dass sie durchhält. Das ist so ein Trauerspiel mit der guten alten Technik."

Gerade als ich die Hoffnung aufgeben wollte, hörte ich eine Stimme vom Nebentisch. Ein Mann mittleren Alters, mit gepflegtem Bart und einer Brille, die auf seiner Nase thronte, legte seine Zeitung beiseite.

"Entschuldigen Sie, dass ich mich einmische", sagte er freundlich, "aber ich konnte Ihr Gespräch nicht überhören. Die Stadionanlage von Tennis Borussia, sagen Sie? Und die macht Probleme?"

Ich nickte. "Ja, ständig fällt die aus. Und wir brauchen sie dringend für unser großes Event."

Der Mann lächelte. "Mein Name ist Herr Schneider. Ich bin Tontechniker. Beruflich warte ich unter anderem die gesamte Soundanlage der Philharmonie hier in Berlin. Und glauben Sie mir, die ist um einiges komplexer als die eines Fußballstadions."

Meine Augen wurden groß. Die Philharmonie! Das klang nach jemandem, der sich wirklich auskannte.

"Vielleicht", fuhr Herr Schneider fort, "könnte ich mir das mal ansehen. Ich habe über die Jahre ein Netzwerk an Kollegen und Auszubildenden aufgebaut. Wir haben viele junge Leute, die für solche Projekte brennen und praktische Erfahrung suchen. Und viele von ihnen sind auch Sportfans. Wenn Sie mir erlauben, würde ich mal im Team herumfragen. Eine Art gemeinschaftliches Projekt, um dem Verein unter die Arme zu greifen."

DJ Bangi Bangen sprang fast auf. "Das wäre der Hammer, Herr Schneider! Die Philharmonie-Techniker an unserer Anlage! Das wäre ja wie ein Sechser im Lotto!"

Herr Schneider lachte. "Vielleicht nicht ganz. Aber wir könnten sicherlich eine Bestandsaufnahme machen und schauen, was zu retten ist und wie wir die Anlage wieder auf Vordermann bekommen. Und vielleicht lässt sich ja das ein oder andere Ersatzteil organisieren. Eine funktionierende Soundanlage ist schließlich das A und O für gute Stimmung."

Ich strahlte. Das war die perfekte Lösung! Der Bombenkrater würde ausgegraben, die Drainage repariert, der Rasen versteigert – und die Musik würde laufen!

"Das wäre fantastisch, Herr Schneider!", sagte ich. "Vielen, vielen Dank! Ich bin Murkel, übrigens."

"Freut mich, Murkel", erwiderte er. "Ich kümmere mich darum. Bald wird TeBe wieder klingen wie ein Orchester!"

Als ich die Halenseekurve verließ, klang in meinen Ohren nicht nur die Reggae-Musik von DJ Bangi Bangen, sondern auch die Vorstellung von einer perfekt funktionierenden Stadionanlage. Ein weiteres Puzzleteil war an Ort und Stelle.

Kapitel 17: Baggertanz und Schlammschlachten – Der Start der Operation Rasenrettung

Mit der Zusage des Vorstands und der unerwarteten Hilfe für die Soundanlage war der Weg frei. Die "Operation Rasenrettung" konnte beginnen! Herr Schulz hatte einen strikten Zeitplan aufgestellt: Zwei Wochen bis zum großen "Rasen-Spiel", und bis dahin musste so viel wie möglich erledigt sein.

Kalle rief mich am nächsten Morgen früh an. "Murkel! Die ersten Bagger sind da! Peter ist schon völlig aus dem Häuschen!"

Ich raste zum Mommsenstadion. Und tatsächlich! Auf dem Trainingsplatz, der ja für die Aktion genutzt werden sollte, standen schon zwei riesige Bagger. Gelb und imposant, ragten ihre Schaufeln in den Himmel. Daneben warteten mehrere Lastwagen. Männer in Arbeitskleidung mit Firmenlogos auf ihren Jacken packten Werkzeuge aus und berieten sich mit einem strahlenden Flenki Jochensen.

"Na, Murkel!", rief Flenki, als er mich sah. "Siehst du? Grüne Hände! Und sie sind bereit, sich schmutzig zu machen!"

Peter, der Platzwart, lief aufgeregt zwischen den Maschinen hin und her, seine blonden Haare noch verwegener als sonst. "Das ist ja wie Weihnachten und Ostern zusammen!", murmelte er und tätschelte liebevoll die riesigen Gummireifen eines Baggers.

Die Atmosphäre war elektrisierend. Die Arbeiter begannen, den Rasen in schmalen Bahnen abzutragen. Die schweren Maschinen brummten, die Erde bebte leicht. Es war laut, staubig und aufregend. Ganze Grasnarben wurden vorsichtig entfernt und an den Rand des Platzes gebracht – bereit für die Versteigerung.

Ich packte sofort mit an, wo ich konnte. Ich half, Absperrungen aufzustellen, reichte Werkzeuge an und hörte den Fachleuten zu, wie sie über Drainagerohre, Erdschichten und Unterbau sprachen. Sie erklärten mir geduldig, warum das Wasser überhaupt nicht abgelaufen war – es war tatsächlich eine Mischung aus verdichteter Erde und einer alten, kaputten Drainage, kein Bombenkrater. Aber der Mythos war gut für die Geschichte, das war klar.

Flenki Jochensen war ein Meister der Koordination. Er wies die Teams ein, besprach die nächsten Schritte und sorgte dafür, dass alles reibungslos lief. Die Profis arbeiteten schnell und effizient. Schon am ersten Tag war ein großer Teil des Rasens abgetragen, und das nackte Erdreich des "Bombenkraters" kam zum Vorschein.

Doch mit dem Fortschritt kamen auch neue organisatorische Herausforderungen. Wo sollten die abgetragenen Rasenstücke gelagert werden, bis sie versteigert wurden? Wie sollten sie frisch bleiben? Wer kümmerte sich um die Beschilderung für die Versteigerung? Und wie sorgten wir dafür, dass die Fans, die beim Rasen-Spiel kommen würden, auch wirklich wussten, was hier passierte?

"Murkel!", rief Kalle, der eine Besprechung mit den Firmenleitern beendet hatte. "Wir müssen auch die freiwilligen Helfer koordinieren. Viele Fans haben sich schon gemeldet, um beim Graben zu helfen. Aber wir können nicht jeden einfach so auf den Platz lassen. Da gibt's Sicherheitsbestimmungen."

Die "Operation Rasenrettung" war kein Kinderspielplatz mehr. Es war ein riesiges Projekt, bei dem jedes Detail zählte. Und ich war mittendrin.

Kapitel 18: Der Klang der Philharmonie und ein Schlagerstar für TeBe

Die Baustelle auf dem Trainingsplatz brummte. Bagger schaufelten Erde, Lastwagen fuhren ab und an, und die Landschaftsgärtner legten die neue Drainage frei. Ich war voll eingespannt, um die freiwilligen Helfer zu koordinieren, die Rasenstücke zu beschriften und die Logistik für die Versteigerung zu planen. Es war ein Chaos, aber ein produktives.

Mitten in diesem Trubel erhielt ich einen Anruf von DJ Bangi Bangen. Seine Stimme war voller Begeisterung. "Murkel! Du musst sofort herkommen! Herr Schneider und sein Team haben ganze Arbeit geleistet!"

Ich ließ alles stehen und liegen und rannte zum Stadion. Als ich das Spielfeld betrat, traute ich meinen Ohren kaum. Aus den alten, knarzenden Lautsprechern dröhnte nicht nur Musik – es war ein satter, klarer Sound, wie ich ihn noch nie im Mommsenstadion gehört hatte. Bass, Höhen, alles perfekt aufeinander abgestimmt. Es klang, als hätte man die Philharmonie direkt ins Stadion verlegt.

Herr Schneider stand mit einem zufriedenen Lächeln neben DJ Bangi Bangen, der an einem Mischpult stand und die Regler hoch- und runterschob. "Was sagst du, Murkel?", rief Bangi Bangen. "Das ist kein Krach mehr, das ist Musik! Herr Schneider und seine Jungs sind Genies!"

Herr Schneider winkte ab. "Nur ein bisschen Liebe und Fachwissen. Die alten Kabel waren eine Katastrophe, aber die Substanz war noch da. Und meine Auszubildenden waren mit Feuereifer dabei. Jetzt ist die Anlage bereit für das große Spiel!"

Ich war überwältigt. Ein riesiges Problem war gelöst, und das auf so professionelle Weise. Ich bedankte mich bei Herrn Schneider und seinem Team, die sich schon wieder neuen Herausforderungen widmeten. Die Musik würde beim "Rasen-Spiel" definitiv für die richtige Stimmung sorgen.

Doch die Überraschungen dieses Tages waren noch nicht vorbei. Kaum hatte ich mich wieder den Rasenstücken gewidmet, kam Herr Schulz auf mich zugerannt, sein Gesicht strahlte.

"Murkel! Unglaubliche Neuigkeiten!", rief er. "Erinnern Sie sich an unseren Sponsor, der die Rock- und Schlagerkonzerte in Berlin veranstaltet?"

Ich nickte. "Ja, natürlich."

"Er hat sich gemeldet!", sagte Herr Schulz aufgeregt. "Er hat von Ihrer Aktion gehört, von der Medienaufmerksamkeit. Und er war so begeistert, dass er etwas ganz Besonderes für uns hat: Kaisi Roland!"

Mein Mund klappte auf. Kaisi Roland! Der bekannte Schlagersänger, dessen Lieder jeder kannte, ob man wollte oder nicht. Seine Konzerte waren immer ausverkauft.

"Kaisi Roland", fuhr Herr Schulz fort, "bietet an, ein Benefizkonzert für TeBe zu geben! Hier im Mommsenstadion! Die Einnahmen sollen komplett in die Rasenrettung und die Sanierung des Vereins fließen! Er ist ein großer Fußballfan und findet Ihre Geschichte fantastisch!"

Ich konnte es kaum glauben. Ein Schlagerkonzert im Mommsenstadion! Das war eine Sensation! Das würde nicht nur Unmengen an Geld einbringen, sondern auch eine riesige Öffentlichkeit erreichen, die TeBe sonst nie erreicht hätte. Die "Operation Rasenrettung" wurde immer größer und spektakulärer.

Kapitel 19: Das Echo der Hoffnung und der Rausch der Schlagzeilen

Die Nachricht vom Benefizkonzert mit Kaisi Roland schlug ein wie eine Bombe – eine, die keine Krater riss, sondern Jubelstürme auslöste. Plötzlich waren nicht nur die lokalen Sportseiten voll von TeBe, sondern die ganze Berliner Presse. Von den besorgten Schlagzeilen über die Insolvenz war kaum noch die Rede. Stattdessen feierten die Zeitungen die "Wiederauferstehung" von "Westberlins altem Schlachtschiff".

Der Tagesspiegel titelte: "TeBe gräbt nach der Zukunft: Wunder-Murkel und Kaisi Roland retten den Rasen!"
Die B.Z. schrieb begeistert: "Lila Laune kehrt zurück: Mommsenstadion wird zur Konzertbühne – Ist das die Wende?"
Selbst die Fußball-Woche, die schon über Redi Weinkaufsen berichtet hatte, sprach nun vom "Veilchen-Phoenix: Wie ein Mädchen und ein Schlagerstar TeBe neues Leben einhauchen."

Überall wurde ich als "Wunder-Murkel" gefeiert, noch bevor auch nur ein einziger Euro durch die neuen Aktionen eingenommen worden war. Es war ein Rausch der Schlagzeilen, ein euphorisches Vorpreschen, das mich fast ein wenig schwindlig machte.

Ich traf mich mit dem Sponsor, Herrn Baumann, und Kaisi Roland in einem schicken Hotel in Charlottenburg. Kaisi Roland war im Fernsehen schon ein Star, aber persönlich wirkte er noch größer und hatte eine unglaubliche Energie. Er war sofort begeistert von der Idee, im Mommsenstadion aufzutreten.

"Murkel", sagte er, seine Stimme war genauso warm und voluminös wie in seinen Liedern, "diese Geschichte ist einfach fantastisch! Ein Verein, der buchstäblich seine eigenen Wurzeln ausgräbt, um zu überleben. Und dann noch dieser Bombenkrater-Mythos – das ist großes Kino! Da bin ich sofort dabei. Wir machen aus dem Mommsenstadion die größte Open-Air-Bühne, die es je gesehen hat!"

Herr Baumann, der Sponsor, war sichtlich zufrieden mit dem Medienecho. "Die Vorverkaufszahlen für Kaisis Konzert sind schon jetzt phänomenal", sagte er strahlend. "Und die Aufmerksamkeit für die Rasenversteigerung und die Ausgrabungsaktion ist unbezahlbar. Wir haben Anfragen von Fernsehsendern, die das ganze Event begleiten wollen!"

Mir wurde klar, dass hier etwas wirklich Großes in Gang gesetzt wurde. Etwas, das weit über ein einfaches Fußballspiel oder ein Benefizkonzert hinausging. Es war eine Geschichte, die die Menschen bewegte. Eine Geschichte über Hoffnung, Zusammenhalt und den Kampf gegen das Aufgeben.

Doch inmitten all des Lobes und der Euphorie, die mich umgaben, mahnte eine kleine Stimme in meinem Kopf zur Vorsicht. Die Probleme waren noch nicht gelöst. Das Geld war noch nicht auf dem Konto. Der Rasen noch nicht neu verlegt. Und Redi Weinkaufsen saß immer noch sicher in Indien. Die Presse feierte eine Wiederauferstehung, die noch gar nicht stattgefunden hatte. Es war ein Vorab-Sieg, der noch in einen echten Erfolg umgewandelt werden musste.

Ich wusste, die eigentliche Arbeit lag noch vor uns.

Kapitel 20: Das Rasen-Spiel – Ein Fest der Hoffnung und die erste Schaufel

Der Tag des "Rasen-Spiels" war gekommen. Der Himmel über dem Mommsenstadion war strahlend blau, als hätte er die euphorischen Schlagzeilen der letzten Tage gelesen. Schon Stunden vor Anpfiff strömten die Menschen zum Stadion. Es war kein gewöhnliches Spiel; es war ein Fest der Hoffnung, ein gemeinsamer Aufbruch.

Am Eingang verteilten Marie und Leonie mit anderen Kindern aus dem Feriencamp Flyer. Darauf stand die Geschichte von Redi Weinkaufsen, die drohende Insolvenz und der kühne Plan, den Rasen zu versteigern und den Verein zu retten. Die Spendendosen füllten sich schnell.

Ich stand am Spielfeldrand, mein Herz klopfte wie ein Trommelwirbel. Peter, der Platzwart, war völlig aufgedreht. Er hatte die Rasenstücke, die bereits abgetragen worden waren, liebevoll auf Planen ausgebreitet und mit kleinen Schildern versehen: "Ein Stück TeBe-Geschichte – Dein Beitrag zur Rettung!"

Und dann war da Anne, der Papagei. Herr Lehmann hatte ihren Käfig extra auf einen erhöhten Podest neben der Trainerbank gestellt, damit sie alles sehen und hören konnte. Sie schien die besondere Atmosphäre zu spüren. Immer wieder krächzte sie lauthals: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!" – diesmal nicht unheimlich, sondern wie ein Schlachtruf, der die Menge zum Lachen brachte.

Als die Spieler der ersten Männermannschaft auf den Platz liefen, war das Stadion schon gut gefüllt. Die Stimmung war unglaublich. DJ Bangi Bangen legte über die nun perfekt funktionierende Soundanlage von Herrn Schneider und seinem Team einen TeBe-Hymnen-Mix auf, der die Tribünen zum Beben brachte. Die Fans sangen lauthals mit, schwenkten Schals und Banner.

In der Halbzeitpause war es so weit. Trainer Kalle, Herr Schulz vom Vorstand und ich traten ans Mikrofon. Kalle sprach über die Bedeutung des Vereins, Herr Schulz bedankte sich bei den Fans und Sponsoren. Und dann war ich dran.

"Liebe TeBe-Familie!", begann ich, meine Stimme zitterte nur ein kleines bisschen. "Wir sind heute hier, um unserem Verein eine Zukunft zu geben! Wir graben den alten 'Bombenkrater' aus, um Platz für Neues zu schaffen! Und wir brauchen eure Hilfe!"

Ich erklärte die Idee der Rasenversteigerung und des Benefizkonzertes mit Kaisi Roland. Die Menge jubelte. Die ersten Rasenstücke wurden symbolisch versteigert, und die Gebote übertrafen alle Erwartungen. Ein alter Fan bot für ein kleines Stück Rasen, das er seit Jahrzehnten betreten hatte, einen dreistelligen Betrag.

Nach dem Spiel, das TeBe übrigens sensationell 2:1 gewann – vielleicht beflügelt von der neuen Hoffnung – begann der eigentliche Höhepunkt der "Operation Rasenrettung". Die Garten- und Landschaftsbau-Firmen hatten ihre Bagger und Lastwagen bereitgestellt. Und dann kamen die freiwilligen Helfer. Hunderte von Fans, jung und alt, bewaffnet mit Schaufeln und Spaten, strömten auf den Trainingsplatz.

Es war ein unglaubliches Bild. Unter der Anleitung der Profis begannen die Fans, den Rasen abzutragen und die Erde zu lockern. Es war harte Arbeit, aber die Stimmung war ausgelassen. Lieder wurden gesungen, Witze gerissen. Jeder wollte seinen Teil dazu beitragen.

Ich stand inmitten dieses Gewirrs aus Baggern, Schaufeln und lachenden Menschen. Der "Bombenkrater" wurde tiefer, die alte Drainage kam zum Vorschein. Es war schlammig, anstrengend, aber es war auch ein unglaubliches Gefühl von Gemeinschaft.

Und immer wieder, über dem Brummen der Maschinen und dem Lachen der Fans, hörte ich Annes krächzende Stimme vom Podest: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!" Ja, Anne. Murkel war mittendrin. Und Murkel wusste, dass dies erst der Anfang war.

Kapitel 21: Tiefer Graben, klingende Kassen und ein mysteriöser Glanz

Das "Rasen-Spiel" war ein triumphaler Auftakt gewesen. Die Energie der Fans, die funktionierende Soundanlage und die symbolische Versteigerung der ersten Rasenstücke hatten dem Verein nicht nur emotionale, sondern auch erste finanzielle Impulse gegeben. Die Spendenbüchsen waren prall gefüllt, und die Rasenauktion hatte mehr eingebracht, als selbst der optimistischste Vorstand erwartet hatte.

Am Montag nach dem Spiel trafen sich Herr Schulz, Herr Becker, Kalle und ich im Büro, um die ersten Einnahmen zu bilanzieren. Herr Lehmann, der Bürohelfer, hatte sorgfältig alles zusammengetragen.

"Wir haben durch die Eintrittsgelder, die Verkäufe im Stadion und die ersten Rasen-Versteigerungen bereits einen Betrag von über 15.000 Euro eingenommen!", verkündete Herr Schulz mit leuchtenden Augen. "Das ist phänomenal! Ein Start, von dem wir nur träumen konnten."

Kalle klopfte mir auf die Schulter. "Murkel, das ist dein Verdienst! Ohne deine Idee und deinen Mut hätten wir das nie geschafft."

Ich grinste stolz. Es war ein unglaubliches Gefühl, zu sehen, wie meine Idee real wurde und tatsächlich Geld in die Vereinskasse spülte. Aber ich wusste, das war erst der Anfang. Die große Welle der Einnahmen würde erst mit dem Kaisi-Roland-Konzert kommen.

Während die Zahlen analysiert wurden, gingen die Arbeiten auf dem Trainingsplatz unermüdlich weiter. Die riesigen Bagger der Gartenbaufirmen gruben sich tiefer in die Erde. Der Rasen war nun komplett abgetragen, und die alte, marode Drainage kam vollständig zum Vorschein. Es war ein wirres Geflecht aus brüchigen Rohren und verdichteter Erde.

Ich verbrachte jede freie Minute am Spielfeldrand und beobachtete die Arbeiter. Flenki Jochensen war fast pausenlos vor Ort, koordinierte die Baggerfahrer und die Teams, die die alten Drainagerohre entfernten und durch neue, moderne ersetzten. Die Fortschritte waren beeindruckend. Der Platz sah aus wie ein riesiger Acker, aber man konnte sehen, dass hier etwas Neues entstand.

An einem Nachmittag, als die Bagger besonders tief gruben, um die alten Rohre zu entfernen, kam Peter, der Platzwart, aufgeregt auf mich zu. Er hatte eine Schaufel in der Hand und deutete in eine frisch ausgehobene Grube.

"Murkel, komm mal her!", rief er. "Guck mal, was ich hier gefunden hab'!"

Ich kletterte vorsichtig an den Rand der Grube. Am Grund, wo die alte Drainage freigelegt wurde, lag ein kleiner, unscheinbarer Gegenstand. Er war von Erde und Schlamm bedeckt, aber als Peter ihn mit seiner Schaufel freilegte, blitzte etwas auf. Es war ein Stück Metall, das im Sonnenlicht seltsam schimmerte. Es sah aus wie ein verbogenes Stück Blech, mit seltsamen, fast wie eingraviert wirkenden Linien.

"Was ist das denn?", fragte ich. "Sieht aus wie alter Schrott."

Peter zuckte die Achseln. "Keine Ahnung. Liegt da schon ewig. Vielleicht irgendein Teil von den alten Rohren, das da mal reingefallen ist." Er kratzte sich am Kopf. "Sieht 'n bisschen komisch aus, aber nix Besonderes, glaub ich."

Er nahm das Stück Metall in die Hand, wischte kurz den Dreck ab und steckte es dann achtlos in die Tasche seiner Arbeitshose. "Sammel ich später mit dem anderen Schrott ein", murmelte er. "Muss mich erstmal um die neuen Rohre kümmern."

Die Bagger gruben weiter. Niemand schenkte dem unscheinbaren Fund weitere Beachtung. Die Arbeiter waren auf die Drainage konzentriert, Flenki Jochensen auf den Zeitplan. Und ich? Ich dachte an den "Bombenkrater"-Mythos und die Geschichten von Pogo. Ich sah, wie die neue Drainage Form annahm und der Platz aufatmen konnte. Doch der seltsame Glanz in der Erde, den Peter so beiläufig abgetan hatte, blieb mir irgendwie im Gedächte. Ein unscheinbarer Fund, der vielleicht mehr war, als er auf den ersten Blick schien – aber noch nicht als solcher erkannt wurde.

Kapitel 22: Annes Hartnäckigkeit und Peters vergessenes Blech

Die Bauarbeiten auf dem Trainingsplatz gingen unermüdlich weiter. Das Brummen der Bagger war zum Dauerton im Mommsenstadion geworden, und der Platz verwandelte sich zusehends von einer Schlammgrube in eine perfekt vorbereitete Fläche für die neue Drainage. Die ersten 15.000 Euro waren ein fantastischer Anfang, aber ich wusste, der richtige Geldsegen würde erst mit Kaisis Konzert kommen. Dennoch ließ mich ein kleines Detail nicht los: das seltsam glänzende Stück Metall, das Peter so beiläufig in seine Hosentasche gesteckt hatte.

Ich versuchte, Peter darauf anzusprechen, aber er war immer mit den Arbeiten beschäftigt, rief Anweisungen zu den Baggern oder diskutierte mit Flenki Jochensen über Rohrdurchmesser. Er schien den Fund schon längst vergessen zu haben.

Am Nachmittag, als ich eine kurze Pause einlegte und mich auf eine Bank neben Annes Käfig setzte, um die Fortschritte auf dem Feld zu überblicken, krächzte der Papagei lauter als sonst. "UND WATT WAR MIT MURKEL?!"

Ich seufzte. "Murkel ist gerade ein bisschen verwirrt, Anne. Ich denke die ganze Zeit an dieses komische Ding, das Peter gefunden hat. So ein Stück glänzendes Metall. Sah aus wie Schrott, aber irgendwie auch nicht."

Anne drehte ihren Kopf, ihre kleinen Augen bohrten sich in meine. "WATT WAR MIT MURKEL?!" Sie wiederholte es, immer wieder, ihre Stimme wurde insistierender, fast ungeduldig. Dann begann sie, mit ihrem Schnabel gegen die Gitterstäbe ihres Käfigs zu klopfen, immer rhythmischer und lauter. Sie starrte mich an, dann blickte sie zu Peters Arbeitshose, die auf einem Stuhl in der Ecke lag, wo er sie abgelegt hatte, bevor er sich wieder in den Graben schwang.

Plötzlich begriff ich. Anne war nicht nur ein quasselnder Vogel. Sie war klüger, als ich dachte. Oder zumindest hartnäckiger. Sie lenkte meine Aufmerksamkeit ganz gezielt auf Peters Hose.

Ich stand auf und ging zu dem Stuhl. Zögernd steckte ich meine Hand in die Tasche von Peters schmutziger Arbeitshose. Meine Finger stießen auf etwas Hartes, Kaltes. Ich zog es heraus. Es war das Stück Metall.

Jetzt, da ich es genauer betrachten konnte, sah es noch seltsamer aus. Es war kein gewöhnliches Blech. Es war schwerer, und die Oberfläche hatte einen eigenartigen Glanz, fast wie ein sehr altes, angelaufenes Silber. Die Linien, die ich vorher für Kratzer gehalten hatte, waren tatsächlich feine, eingravierte Muster. Es sah aus wie eine Art Wappen oder ein kompliziertes Symbol, das ich noch nie gesehen hatte. Und es war ganz klar kein Teil einer Drainage. Es war viel zu filigran dafür.

Was war das? Peter hatte es einfach als Schrott abgetan. Aber warum war es dann so glatt? Und diese Symbole...

Ich hielt das glänzende Stück in meiner Hand. Es schien eine verborgene Geschichte zu erzählen. Und Anne krächzte von ihrem Käfig herüber, als wüsste sie mehr als ich: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!"

Kapitel 23: Ein Juwelier, ein alter TeBe-Fan und ein glänzendes Geheimnis

Das seltsam glänzende Stück Metall lag schwer in meiner Hand. Es war zu ungewöhnlich, um es einfach als Schrott abzutun. Und Annes hartnäckiges Krächzen hatte mir gezeigt, dass es meine Aufmerksamkeit verdiente. Aber wem sollte ich es zeigen? Peter hatte es nicht erkannt, und die Leute auf der Baustelle waren zu sehr mit den Drainagen beschäftigt.

Mir fiel Pogo ein. Er war derjenige, der die Geschichten über den Bombenkrater kannte. Vielleicht wusste er auch etwas über alte Gegenstände, die im Mommsenstadion gefunden wurden. Ich beschloss, ihn nach dem Training aufzusuchen.

Als ich Pogo das Stück Metall zeigte, runzelte er die Stirn. Er drehte es in seinen knochigen Fingern, sein Blick wanderte über die eingravierten Symbole. "Das ist... das ist kein gewöhnlicher Schrott, Murkel", murmelte er. "Das sieht alt aus. Und diese Zeichen... die hab ich schon mal irgendwo gesehen. Aber wo?" Er schüttelte den Kopf. "Ich bin kein Experte für so was. Aber ich kenn da jemanden. Einen alten TeBe-Fan. War früher immer im Stadion, jeden Spieltag. Aber seit Jahrzehnten hab ich ihn nicht mehr gesehen."

"Wer denn?", fragte ich gespannt.

"Oschi Raikovic", sagte Pogo. "Der Juwelier. Hatte früher ein kleines Geschäft hier in Charlottenburg. Ein Original. Hatte immer ein Auge für alles, was glänzt." Pogo kratzte sich am Kinn. "Ob der Laden noch existiert?"

Ich zückte mein Handy und suchte. Und tatsächlich! Juwelier Raikovic, immer noch in Charlottenburg. Ich rief sofort an. Eine tiefe, raue Stimme meldete sich.

"Juwelier Raikovic, Oschi am Apparat. Was kann ich für Sie tun?"

Ich erklärte ihm, wer ich war, dass ich im Mommsenstadion arbeitete und dass Pogo mir seine Nummer gegeben hatte. Ich erwähnte das mysteriöse Stück Metall.

"Ein Fund aus dem Mommsenstadion, sagen Sie?", hörte ich Oschi Raikovic am anderen Ende der Leitung. Seine Stimme klang plötzlich wacher. "Und Pogo hat Sie geschickt? Na, dann muss es ja was Besonderes sein! Kommen Sie vorbei, Murkel. Sofort! Ich mach gleich Feierabend, aber für einen TeBe-Fund hab ich immer Zeit!"

Eine halbe Stunde später stand ich vor einem kleinen, unscheinbaren Juweliergeschäft in einer Seitenstraße. Die Auslage war staubig, aber die wenigen Schmuckstücke, die darin lagen, glänzten edel. Als ich eintrat, klingelte ein kleines Glöckchen.

Oschi Raikovic war ein kleiner, gedrungener Mann mit einem grauen Schnurrbart und wachen Augen hinter einer dicken Brille. Er sah aus, als wäre er selbst ein Schmuckstück aus einer vergangenen Zeit.

"Murkel, komm rein, mein Kind!", sagte er, seine Augen fixierten sofort das Stück Metall in meiner Hand. "Zeig mal her!"

Ich legte es vorsichtig auf ein Samttuch auf dem Tresen. Oschi Raikovic setzte eine Lupe auf sein Auge und beugte sich über den Gegenstand. Er drehte ihn hin und her, strich mit den Fingern über die Oberfläche, murmelte vor sich hin.

"Interessant... sehr interessant...", sagte er schließlich. "Das ist kein Blech, mein Kind. Das ist Silber. Und zwar sehr altes Silber. Und diese Gravuren..." Er nahm die Lupe ab und sah mich an. "Das ist kein Wappen. Das ist ein Symbol. Ein sehr altes Symbol. Ich habe so etwas Ähnliches mal in einem Buch über alte Kulturen gesehen. Es könnte... es könnte ein Glücksbringer sein. Oder ein Schutzsymbol."

Er schüttelte den Kopf. "Aber was macht so etwas unter dem Rasen eines Fußballstadions? Und so tief? Das ist merkwürdig. Sehr merkwürdig." Er sah mich eindringlich an. "Murkel, dieses Stück ist alt. Und es hat eine Geschichte. Eine, die wir vielleicht noch nicht kennen."

Er gab mir das Stück zurück. "Behalten Sie das gut. Und passen Sie auf. Wer weiß, was das noch bedeutet."

Ich verließ den Juwelierladen mit einem noch größeren Rätsel als zuvor. Ein alter Glücksbringer? Ein Schutzsymbol? Was hatte das mit dem Mommsenstadion zu tun? Und was, wenn es nicht der einzige Fund war?

Kapitel 24: Klussi Klussmann und das rätselhafte Emblem

Das seltsame Stück Silber brannte in meiner Tasche. Ein alter Glücksbringer, ein Schutzsymbol, so hatte es Juwelier Oschi Raikovic genannt. Es war zu faszinierend, um es einfach nur in meinem Zimmer liegen zu lassen. Ich musste mehr darüber erfahren. Pogo hatte Oschi Raikovic gekannt, aber wer konnte mir bei der Entschlüsselung des Symbols helfen? Ich brauchte jemanden, der sich mit alten Zeichen, mit Geschichte auskannte.

Mir fiel Klussi Klussmann ein. Er war ein alter Kunstkenner und Historiker, von dem ich in einem Buch über Berliner Geschichte gelesen hatte. Er lebte zurückgezogen, aber er war eine Legende für sein Wissen über vergessene Schätze und geheimnisvolle Symbole. Es war ein wilder Schuss ins Blaue, aber ich musste es versuchen.

Ich recherchierte seine Kontaktdaten und fand tatsächlich eine E-Mail-Adresse. Ich schrieb ihm eine Nachricht, erklärte kurz, wer ich war und von meinem Fund im Mommsenstadion. Zu meiner Überraschung antwortete er fast sofort und schlug eine Videokonferenz vor.

Am nächsten Abend saß ich vor meinem Tablet, etwas nervös. Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines älteren Herrn mit einem freundlichen, aber sehr wachen Blick und einer Sammlung seltener Bücher im Hintergrund.

"Guten Abend, Murkel", sagte Klussi Klussmann, seine Stimme war klar und distinguiert. "Ich bin gespannt, was Sie da für mich haben."

Ich hielt das silberne Stück dicht an die Kamera. "Herr Klussmann, ich habe das im Mommsenstadion gefunden, unter dem Rasen, bei Bauarbeiten. Ein Juwelier meinte, es sei sehr altes Silber mit einem Symbol."

Klussi Klussmann beugte sich näher zum Bildschirm, seine Augen fokussierten das Bild. Er sah sehr genau hin, fast, als würde er das Objekt durch den Bildschirm hindurch untersuchen. Eine lange Stille breitete sich aus, während er das Symbol studierte.

"Interessant...", murmelte er schließlich. "Sehr interessant. Dieses Symbol... es ist kein Wappen im herkömmlichen Sinne. Es ist ein althistorisches Emblem. Sehr selten. Es repräsentiert die 'Quelle der Vitalität' oder den 'Brunnen des Lebens'. Ein Symbol für Fruchtbarkeit, Wachstum und Beständigkeit."

Ich starrte ihn an. Fruchtbarkeit? Wachstum? Beständigkeit? Unter einem Fußballrasen, der immer wieder kaputtging?

"Dieses Symbol", fuhr Klussi Klussmann fort, "wurde in der Antike oft an Orten platziert, die eine besondere Energiequelle darstellten. Quellen, Brunnen, aber auch Kultstätten, wo man sich dauerhaften Erfolg und Reichtum erhoffte. Es sollte den Ort vor dem Verfall schützen und für ewiges Gedeihen sorgen."

"Aber warum unter einem Fußballfeld?", fragte ich verwirrt.

Klussi Klussmann schmunzelte. "Das ist die große Frage, nicht wahr? Das Mommsenstadion ist alt, ja. Aber so alt nun auch wieder nicht. Es gab jedoch in der Gegend von Charlottenburg vor langer Zeit, noch bevor die Stadt so groß wurde, tatsächlich einige solcher 'Energiepunkte', wie man sie nannte. Kleine Quellen, die für ihre Reinheit und Beständigkeit bekannt waren. Man sagt, dass diese Punkte von bestimmten Gemeinschaften, die dort lebten, als heilig angesehen und mit solchen Symbolen markiert wurden, um ihre Kraft zu bewahren."

Er dachte kurz nach. "Es ist denkbar, dass unter Ihrem Stadion eine solche alte Quelle liegt. Eine, die im Laufe der Bebauung verschüttet oder vergessen wurde. Aber dieses Emblem wurde dort bewusst platziert, um sie zu ehren und zu schützen. Ein verborgener Schatz, wenn Sie so wollen. Nicht aus Gold, aber aus reiner, ursprünglicher Energie."

Ein verborgener Schatz. Der Brunnen des Lebens. Fruchtbarkeit und Beständigkeit. Das klang wie das genaue Gegenteil von allem, was TeBe in den letzten Jahren erlebt hatte.

Klussi Klussmanns Augen blitzten. "Wenn meine Vermutung stimmt, Murkel, dann haben Sie da nicht nur ein Stück Geschichte gefunden, sondern vielleicht auch einen Hinweis auf die wahre Natur des Problems Ihres Rasens. Und auf eine mögliche, ganz andere Art von Lösung."

Kapitel 25: Die Quelle der Vitalität und eine neue Marketingstrategie

Das Gespräch mit Klussi Klussmann hatte alles verändert. Das Stück Silber war kein Zufallsfund, kein einfacher Schrott. Es war ein uraltes Emblem, ein Symbol für "Fruchtbarkeit, Wachstum und Beständigkeit" – ein Hinweis auf eine vergessene Quelle unter dem Mommsenstadion. Der "Bombenkrater" war vielleicht in Wahrheit ein "Brunnen des Lebens".

Ich wusste, ich musste diese unglaubliche Entdeckung sofort mit Kalle und dem Vorstand teilen. Sie mussten verstehen, welche Bedeutung das hatte, nicht nur für die Geschichte des Stadions, sondern auch für die Zukunft von TeBe.

Am nächsten Morgen bat ich um ein dringendes Treffen. Herr Schulz, Herr Becker und Kalle saßen mir gegenüber, ihre Gesichter zeigten eine Mischung aus Neugier und leichter Skepsis. Ich legte das silberne Emblem auf den Tisch und erzählte ihnen von meinem Gespräch mit Klussi Klussmann, von der "Quelle der Vitalität" und der Möglichkeit einer alten, heiligen Quelle unter dem Rasen.

Zuerst herrschte Stille. Dann räusperte sich Herr Becker. "Eine Quelle? Unter unserem Stadion? Murkel, das klingt ja... wie aus einem Märchen."

"Ja", sagte Herr Schulz langsam und nahm das Emblem in die Hand. "Aber Klussi Klussmann ist kein Märchenerzähler. Er ist ein anerkannter Historiker. Wenn er das sagt..."

Kalle, der die Geschichten von Pogo kannte, war sofort Feuer und Flamme. "Das ist ja unglaublich! Der Bombenkrater-Mythos bekommt eine ganz neue Dimension! Das ist doch das, wonach Redi Weinkaufsen gesucht hat – die wahre Wurzel des Vereins!"

Ich nickte. "Genau! Und es passt perfekt zu dem, was wir versuchen: TeBe wieder zu beleben, ihm neue Kraft zu geben. Dieses Symbol steht für genau das!"

Herr Schulz blickte nachdenklich auf das Emblem. "Das ist... eine Geschichte. Eine sehr gute Geschichte. Eine, die wir erzählen können." Er sah zu Herrn Becker. "Das könnte unsere Marketingstrategie für das Kaisi-Roland-Konzert auf ein ganz neues Level heben."

Und so geschah es. Die Nachricht von der "Quelle der Vitalität" und dem mysteriösen Emblem wurde sofort in die Kommunikation für das Kaisi-Roland-Konzert integriert. Herr Baumann, der Sponsor, war begeistert.

"Das ist Gold wert!", rief er in einer Telefonkonferenz. "Die Geschichte vom 'Brunnen des Lebens' unter dem Stadion! Das ist einzigartig! Wir bewerben das Konzert nicht mehr nur als Benefizkonzert, sondern als das 'Konzert am Brunnen des Lebens'! Ein Event, das TeBe neue Kraft schenkt!"

Die Werbekampagne wurde angepasst. Auf den Plakaten für das Kaisi-Roland-Konzert, die bald überall in Berlin hingen, war nicht nur Kaisis strahlendes Gesicht zu sehen, sondern auch eine stilisierte Darstellung des Symbols, das ich gefunden hatte. Darunter stand der Slogan: "Kaisi Roland live im Mommsenstadion: Wo TeBe zu neuen Kräften findet – Das Konzert am Brunnen des Lebens!"

In den Radiospots und Online-Anzeigen wurde die Geschichte vom Bombenkrater, dem mysteriösen Fund und der alten Quelle erzählt. Es wurde ein Hype ausgelöst, der weit über die Fußballfans hinausging. Menschen, die sich normalerweise nicht für Fußball interessierten, wurden neugierig auf diese "magische" Geschichte und das Konzert.

Der Vorverkauf für das Kaisi-Roland-Konzert explodierte förmlich. Die Philharmonie-Soundanlage war bereit, der Rasen wurde fleißig erneuert, und die Geschichte vom "Brunnen des Lebens" zog die Massen an. TeBe war auf dem besten Weg, nicht nur gerettet zu werden, sondern stärker und mythischer als je zuvor aufzuerstehen.

Kapitel 26: Das Herz des Rasens und der Ruf des Brunnens

Während der Hype um das Kaisi-Roland-Konzert am "Brunnen des Lebens" immer größer wurde, liefen die Arbeiten auf dem Trainingsplatz auf Hochtouren. Die Gärtner- und Landschaftsbaufirmen arbeiteten Hand in Hand, koordiniert von Flenki Jochensen. Die alte, marode Drainage war nun komplett entfernt, und das Erdreich darunter wurde mit präziser Sorgfalt vorbereitet. Es war eine gewaltige Aufgabe, die sie da leisteten, und ich war beeindruckt von ihrer Professionalität und ihrem Engagement.

Ich war ständig auf dem Platz, beobachtete jeden Schritt. Ich wollte sicherstellen, dass nichts übersehen wurde, vor allem nicht, nachdem wir das mysteriöse Emblem gefunden hatten. Die Geschichte von der "Quelle der Vitalität" hatte meine Neugier nur noch mehr angefacht. Gab es noch mehr solche Symbole? War der Brunnen wirklich dort?

Ich verbrachte Stunden damit, alte Karten und Baupläne des Mommsenstadions zu studieren, die ich von Herrn Lehmann im Vereinsarchiv bekommen hatte. Ich suchte nach Hinweisen auf Wasseradern, alte Brunnen oder ungewöhnliche Markierungen in der Erde. Es war wie eine Schatzsuche, nur dass der Schatz unsichtbar war. Ich fand nichts Konkretes, das die Existenz einer Quelle direkt belegte, aber die Legenden und alten Geschichten in den Unterlagen gaben der Sache eine noch mystischere Note. Das Mommsenstadion hatte schon immer eine besondere Aura gehabt.

Peter, der Platzwart, bemerkte meine Besessenheit. "Immer noch auf der Suche nach dem Schatz, Murkel?", fragte er schmunzelte, während er ein Loch für die neuen Drainagerohre ausmaß. "Wenn's da wirklich 'ne Quelle gibt, dann muss die aber tief sein. Die Erde ist hier überall trocken wie Zwieback, wenn's nicht regnet."

Dennoch hielt ich die Augen offen. Ich redete mit den erfahrensten Baggern und den ältesten Gärtnern, die sich noch an die Geschichten ihrer Großväter über das Gelände erinnern konnten. Niemand hatte je von einer konkreten Quelle gesprochen, aber alle kannten die Gerüchte über das "besondere" Wasser, das hier immer irgendwie aus dem Boden kam. Der "Brunnen des Lebens" blieb ein Mysterium, aber ein unglaublich wirksames für unsere Marketingkampagne.

Kapitel 27: Woodstock in Westend – Kaisi Roland am Brunnen des Lebens

Der Tag des Kaisi-Roland-Konzertes brach an. Die Sonne schien, und eine unfassbare Energie lag über Westend. Was wir erwartet hatten, war ein großes Konzert. Was wir bekamen, war ein modernes Woodstock.

Die Nachrichten von der "Quelle der Vitalität" und dem mysteriösen Emblem hatten sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Viel mehr Menschen, als selbst Herr Baumann und seine Veranstalter erwartet hatten, pilgerten zum Mommsenstadion, um dem "Brunnen des Lebens" ganz nah zu sein. Die Straßen um das Stadion waren verstopft, die öffentlichen Verkehrsmittel überfüllt. Es waren nicht nur TeBe-Fans oder Schlager-Liebhaber; es waren Neugierige, Esoteriker, Sinnsuchende und einfach Menschen, die Teil von etwas Besonderem sein wollten.

Das Stadion war bis auf den letzten Platz gefüllt, und Tausende standen dicht gedrängt auch außerhalb auf dem Gelände, um wenigstens die Musik zu hören. Die Atmosphäre war elektrisierend. Aus den nun makellos funktionierenden Lautsprechern von Herrn Schneider dröhnte nicht nur Musik, sondern auch das Raunen der unzähligen Stimmen.

Und die Prominenz gab sich die Klinke in die Hand. Neben Sportlegenden und Politikern waren Gesichter zu sehen, die man sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Der alte Kommunarde Langi Rainhans, dessen Haare noch wilder waren als Pogos, saß in der ersten Reihe und schwenkte einen improvisierten TeBe-Schal. Die elegante Künstlerin Glasi Usch, die normalerweise nur in den exklusivsten Galerien zu finden war, saß fasziniert auf der Tribüne und zeichnete Skizzen in ihr Notizbuch. Sie alle wollten Teil dieses Phänomens sein.

Als Kaisi Roland die Bühne betrat, die direkt auf dem frisch vorbereiteten Rasen aufgebaut war – nur wenige Meter über dem Ort, wo das Emblem gefunden wurde –, brach ein ohrenbetäubender Jubel los. Er strahlte, hob die Arme und die Menge tobte.

"Liebe Freunde!", rief Kaisi Roland in das Mikrofon, seine Stimme füllte das gesamte Stadion. "Wir sind heute hier, um gemeinsam etwas Besonderes zu erleben! Wir sind am 'Brunnen des Lebens', wo ein großer Verein zu neuen Kräften findet! Und wir alle sind Teil dieses Wunders!"

Er sang seine größten Hits, und die Menge sang mit. Es war ein emotionaler Abend, ein echtes Spektakel, das alle Erwartungen übertraf. Die Einnahmen aus den Ticketverkäufen, den Spenden und dem Merchandising würden TeBe eine lange Atempause verschaffen.

Ich stand am Spielfeldrand, neben mir Kalle, Peter, Frau Meier und sogar Herr Schulz und Herr Becker, die mit einem breiten Grinsen auf ihren Gesichtern zuschauten. Anne, der Papagei, saß in ihrem Käfig und krächzte immer wieder, übertönt vom Jubel der Menge: "UND WATT WAR MIT MURKEL?!"

Ja, Anne. Murkel war hier. Und TeBe war gerettet. Nicht nur finanziell, sondern auch im Herzen der Menschen. Die "Operation Rasenrettung" war zu einem Symbol für Hoffnung geworden, angetrieben von einer verrückten Idee, einem mysteriösen Emblem und der unerschütterlichen Leidenschaft eines dreizehnjährigen Mädchens.

Kapitel 28: Der wahre Schatz und das lila Wunder

Die Musik von Kaisi Roland war verklungen, aber das Echo des Konzertes hallte noch lange nach. Das Mommsenstadion hatte eine Nacht erlebt, die in die Geschichte einging. Doch das größte Geheimnis des Vereins lag noch immer unter der Erde, auch wenn die Arbeiten an der Drainage unaufhörlich weitergingen.

Inspiriert von Klussi Klussmanns Worten und bestärkt durch Annes Hartnäckigkeit, war ich besessen davon, mehr über die "Quelle der Vitalität" und das mysteriöse Emblem herauszufinden. Ich sprach mit den erfahrensten Baggern, die das Erdreich abtrugen, und mit den Gärtnern, die die neue Drainage verlegten. Ich bat sie, besonders vorsichtig zu sein, wenn sie in die tiefsten Schichten vordrangen. Und ich war fast pausenlos auf dem Gelände, mein Blick fest auf den Boden gerichtet.

Dann, an einem sonnigen Vormittag, während ein Bagger die allerletzten Reste der alten Drainage und eine besonders verdichtete Erdschicht entfernte, rief der Fahrer plötzlich: "Stopp! Was ist das?!"

Ich rannte zum Graben. Dort, tief unter dem ehemaligen Rasen, kam etwas zum Vorschein, das nicht nach Erde oder kaputten Rohren aussah. Es war eine Art Steintafel, kunstvoll behauen, und in ihrer Mitte war eine perfekt passende Vertiefung, in der das silberne Emblem, das ich gefunden hatte, genau hineingepasst hätte. Um die Vertiefung herum waren weitere, filigrane Gravuren zu erkennen, die eine alte Sprache oder eine Reihe von Symbolen darstellten. Und daneben, leicht versteckt, schimmerte eine kleine, klare Wasserader. Die "Quelle der Vitalität" – sie war real!

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Arbeiten wurden sofort eingestellt. Archäologen und Historiker vom Landesamt für Denkmalpflege rückten an. Klussi Klussmann kam persönlich vorbei, seine Augen leuchteten.

"Das ist unglaublich!", sagte er, als er die Steintafel sah. "Das ist ein einzigartiges Zeugnis! Die Quelle ist tatsächlich hier. Dieses Monument ist eine Jahrtausende alte Kultstätte für Lebenskraft und Erneuerung. Das ist ein nationaler Schatz!"

Die Presse stürzte sich auf die neue Sensation. Nicht nur ein Benefizkonzert, nicht nur eine Rasenrettung, sondern die Entdeckung eines historischen Juwels unter einem Fußballfeld! Die Geschichte des "Brunnen des Lebens" wurde zur Legende.

Der Fund veränderte alles. Die Bedeutung war so groß, dass die Politik nicht länger untätig bleiben konnte. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz wurde verkündet, dass der Bereich um die entdeckte Quelle zu einem Museum umgestaltet werden würde. Ein Museum im Mommsenstadion! Und nicht nur das: Dieses Museum sollte zukünftig, wie die anderen großen Häuser Berlins wie das Pergamonmuseum, von der öffentlichen Hand finanziert werden!

Das bedeutete: TeBe war gerettet. Nicht nur für ein paar Jahre, sondern auf unbestimmte Zeit. Die Zukunft des Vereins war gesichert, finanziell und auch durch die touristischen Einnahmen, die das Museum bringen würde.

Parallel dazu explodierten die Mitgliederzahlen förmlich. Alle wollten nun Teil dieses lila Wunders sein. Alte Fans, die ihre verstaubten TeBe-Schals aus dem Schrank kramten, neue Fans, die von der unglaublichen Geschichte fasziniert waren. Selbst der bekannte Fernsehmoderator Kerni B. Johannes, der als überzeugter Erna-Fan bekannt war, wurde gesichtet, wie er plötzlich die Nähe zum Verein suchte und sich für eine Fördermitgliedschaft interessierte.

Als die Sommerferien zu Ende gingen und die Schule wieder begann, war Tennis Borussia dank Murkel ein völlig anderer Verein als noch vor sechs Wochen. Aus einem maroden "Schlachtschiff" war ein Leuchtturm der Hoffnung geworden, ein Verein mit einer unglaublichen Geschichte, einem mystischen Fund und einer gesicherten Zukunft.

Ich, Murkel, war nicht mehr nur die "Staubsaugerin im Mittelfeld". Ich war die "Wunder-Murkel", die ihrem Verein zu einem neuen Leben verholfen hatte. Und ich wusste, das war erst der Anfang einer ganz besonderen Saison für Tennis Borussia.


Over and out :) Irgendwann dann mal als TeBeClam Heft. Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind im übrigen völlig zufällig.
"In den letzten Jahren gab es sehr viele Sponsoren die sich wg. der Rothersgruppierungen von Verein wieder abgewendet haben."

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Bierverteiler
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Re: Murkel und das lila Wunder

Avatar Beitrag von Bierverteiler »

Ay, caray!
¿Cómo no te voy a querer?
lilac white stripes
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Re: Murkel und das lila Wunder

Beitrag von lilac white stripes »

Was für eine schöne Geschichte. Ich fühlte mich beim Lesen zurückversetzt in die 1970er Jahre beim Lesen von "Schneider-Büchern", Kinder- und Jugendbücher seinerzeit. Toller Schreibstil und die Spannung mit Fragen am Ende jeden Kapitels hochgehalten. Großartig.
Dankeschön dafür.
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